5.6 Franck-Hertz-Versuch


Bezug zum Kerncurriculum:

  • Ich kann einen Franck-Hertz-Versuch beschreiben.
  • Ich kann die Abnahme der Stromstärke und die Leuchterscheinungen in einer mit Neon gefüllten Franck-Hertz-Röhre als Folge von Anregungen von Atomen durch Elektronenstöße deuten.
  • eA: Ich kann einen Zusammenhang zwischen den Leucht-erscheinungen in einer mit Neon gefüllten Franck-Hertz-Röhre und der Franck-Hertz-Kennlinie darstellen.
  • eA: Ich kann eine Anregungsenergie anhand einer Franck-Hertz-Kennlinie ermitteln.
  • eA: Ich nenne Unterschiede zwischen einer Anregung mit Photonen und einer Anregung mit Elektronen.

Ein Wasserstoffatom ist ein gequanteltes System. Das Elektron kann nur bestimmte erlaubte Energien annehmen, so dass ein Photon nur dann absorbiert werden kann, wenn seine Energie \(E = h \cdot f\) genau die Differenz zweier erlaubter Energieniveaus \(\Delta E = E_m - E_n\) ist. Ein Wasserstoffatom, das sich im Grundzustand \(E_1\) befindet, kann nur dann in den angeregten Zustand \(E_2\) übergehen, wenn es ein Photon mit einer Energie von \(10,2 \, \rm{eV}\) absorbiert. Photonen mit einer geringeren Energie als \(10,2 \, \rm{eV}\) können vom Wasserstoffatom nicht absorbiert werden.

Die Frage ist nun, ob diese Quantisierung auch dann gilt, wenn ein Atom mit einem freien Elektron wechselwirkt. Ein freies Elektron kann mit Hilfe einer Beschleunigungsspannung auf eine beliebige Energie beschleunigt werden. Der historische Franck-Hertz-Versuch hatte erstmals gezeigt, dass auch die Wechselwirkung eines Elektrons mit einem Atom quantisiert erfolgt. Übertragen auf das obige Beispiel bedeutet das:

  • ein freies Elektron muss mindestens die kinetische Energie von \(10,2 \, \rm{eV}\) haben, damit es bei einer Wechselwirkung das gebundene Elektron im Wasserstoffatom auf einen angeregten Zustand bringen kann.

  • ein freies Elektron, das eine kinetische Energie von mehr als \(10,2 \, \rm{eV}\) hat, gibt bei einer Wechselwirkung genau \(10,2 \, \rm{eV}\) an das gebundene Elektron ab und behält nach der Wechselwirkung eine Restenergie.

Gedankenexperiment: Man kann sich einen Versuch denken, bei dem in einer Elektronenstrahlröhre, die mit atomarem Wasserstoff bei geringem Druck befüllt ist, Elektronen beschleunigt werden. Man kann dann vier Fälle denken:

  • Die Beschleunigungsspannung ist kleiner als 10,2 V. Die freien Elektronen haben am Ende der Beschleunigungsstrecke eine geringere kinetische Energie als \(10,2 \, \rm{eV}\). Ein gebundenes Elektron im Wasserstoffatom kann keine Energiemenge aufnehmen, die kleiner als \(10,2 \, \rm{eV}\) ist. Die beschleunigten Elektronen dürften daher keine Energie durch Wechselwirkung an ein Wasserstoffatom abgeben.

  • Die Beschleunigungsspannung ist genau 10,2 V. Die freien Elektronen haben am Ende der Beschleunigungsstrecke eine kinetische Energie von genau \(10,2 \, \rm{eV}\). Statistisch zufällig kann ein freies Elektron dann mit einem gebundenen Elektron im Wasserstoffatom wechselwirken und dabei seine kinetische Energie an das gebundene Elektron abgeben, das deswegen in den Energiezustand \(E_2\) übergeht. Das angeregte Elektron behält diese Energie nur eine kurze Zeit, emittiert ein Photon mit einer Energie von \(10,2 \, \rm{eV}\) und geht dadurch wieder in den Grundzustand \(E_1\) über. Das freie Elektron hat keine kinetische Energie mehr.

  • Die Beschleunigungsspannung ist etwas größer als 10,2 V. Die freien Elektronen erreichen vor dem Ende der Beschleunigungsstrecke eine kinetische Energie von \(10,2 \, \rm{eV}\). Sobald ein freies Elektron die kinetische Enerige von \(10,2 \, \rm{eV}\) erreicht hat, kann es statistisch zufällig mit einem gebundenen Elektron im Wasserstoffatom wechselwirken. Das gebundene Elektron kann nur genau \(10,2 \, \rm{eV}\) Energie übernehmen, weswegen das freie Elektron eine Restenergie behält. Das angeregte Hüllenelektron gibt nach kurzer Zeit die aufgenommene Energie wieder ab, indem es ein Photon mit der Energie \(10,2 \, \rm{eV}\) emittiert.

  • Die Beschleunigungsspannung ist wesentlich größer als 10,2 V. Wenn die freien Elektronen auf noch höhere kinetische Energien beschleunigt werden, kann das gebundene Elektron im Wasserstoffatom bei einer Wechselwirkung mit einem freien Elektron auf ein Energieniveau \(E_2\), \(E_3\) oder noch höher angeregt werden. Wenn es hinreichend viel kinetische Energie besitzt, kann das freie Elektron genau die Energiedifferenz \(\Delta E = E_m - E_n\) an das gebundene Elektron abgeben. Hat es vor der Wechselwirkung mehr als die benötigte Energie, behält das freie Elektron nach der Wechselwirkung kinetische Energie.

Anmerkung: In der Literatur wird der Energieaustausch zwischen einem freien Elektron und dem gebundenen Elektron in der Atomhülle manchmal mit Begriffen aus der klassischen Mechanik beschrieben: dem elastischen oder unelastischen Stoß. Wenn man diese Begriffe verwendet, könnte der Eindruck entstehen, dass Elektronen wie kleine Billard-Kugeln zusammenstoßen. Dieses Bild entspricht nicht der aktuell anerkannten Vorstellung.

Nach der aktuellen Quantenfeldtheorie ist das Photon das Austauschboson der Wechselwirkung zwischen geladenen Quantenobjekten. Das bedeutet, dass jegliche elektromagnetische Wechselwirkung durch den Austausch von Photonen erfolgt. Wenn zwei Elektronen wechselwirken, dann stoßen diese nicht wie Billardkugeln zusammen, sondern die beiden Elektronen tauschen Photonen aus. Die ausgetauschten Photonen nennen wir virtuelle Photonen, da diese nicht von außen beobachtet werden können.

Beim historischen Versuch, den Franck und Hertz 1914 durchgeführt hatten, wechselwirkten freie beschleunigte Elektronen mit Quecksilberatomen in einer mit Quecksilberdampf gefüllten Elektronenstrahlröhre. Franck und Hertz beobachteten, dass Elektronen mit einer Energie von weniger als 4,9 eV keine Energie an die Quecksilberatome abgaben und die Quecksilberatome auch keine Photonen emittierten. Erst wenn die freien Elektronen kinetische Energien von 4,9 eV oder mehr hatten, konnten Photonen mit einer Wellenlänge von 253,6 nm beobachtet werden und weniger freie Elektronen erreichten die Auffangelektrode.

Franck und Hertz konnten mit ihrem Versuch zeigen, dass die gebundenen Elektronen in der Atomhülle Energie grundsätzlich nur gequantelt aufnehmen und abgeben können:

  • Es war bekannt, dass wenn Atome mit Licht bestrahlt werden, die Hüllenelektronen nur bestimmte Wellenlängen des Lichts absorbieren können.

  • Die neue Erkenntnis war, dass auch wenn Atome mit freien Elektronen wechselwirken, die Hüllenelektronen nur bestimmte Energiequanten von den freien Elektronen übernehmen können.

Aufbau und Durchführung des Franck-Hertz-Versuchs:

  • Im praktischen Franck-Hertz-Versuch gibt man einen Tropfen Quecksilber in eine Vakuumröhre. Die Vakuumröhre erhitzt man auf ca. 180°C, damit das Quecksilber verdampft. Das Quecksilbergas besteht dann aus einzelnen Quecksilberatomen, die sich frei im Vakuumbehälter bewegen können und sich im Lauf der Zeit auf das gesamte Volumen verteilen.

  • An einem Ende der Vakuumröhre befindet sich ein Glühdraht. Wenn dieser mit einer Spannung von ca. 6 V betrieben wird, beginnt er zu glühen und emittiert wegen des glühelektrischen Effekts Elektronen.

  • In der Mitte der Vakuumröhre befindet sich eine metallische Gitteranode. Zwischen dem Glühdraht und der Gitteranode wird eine Beschleunigungsspannung angelegt, so dass die Elektronen in Richtung der Gitteranode beschleunigt werden.

  • Am Ende der Röhre, hinter der Gitteranode befindet sich eine Auffangelektrode. Zwischen der Gitteranode und der Auffangelektrode wird eine Spannung von ca. 1 V angelegt, die entgegengesetzt zur Beschleunigungsspannung gepolt ist. Zwischen der Gitteranode und der Auffangelektrode ist ein Amperemeter eingebaut, mit welchem man messen kann, wie viele Elektronen pro Sekunde die Auffangelektrode erreichen. Der Grund für die Gegenspannung ist folgender: wenn der Glühdraht Elektronen aussendet, haben diese eine bestimmte kinetische Energie und können die Auffangelektrode erreichen. Damit bei einer Beschleunigungsspannung von 0 V die gemessene Stromstärke zwischen Gitteranode und Auffangelektrode auch 0 A ist, legt man diese Gegenspannung an. Die Elektronen müssen eine Mindestenergie von 1 eV haben, damit sie die Auffangelektrode erreichen können.

  • Man erhöht langsam die Beschleunigungsspannung \(U_\text{B}\) und misst die Stromstärke \(I\) in Abhängigkeit von der Beschleunigungsspannung. Die Messdaten überträgt man in ein \(I - U_\text{B}\)-Diagramm.

In der folgenden Simulation können Sie die Durchführung des Franck-Hertz-Versuchs und Folgerungen daraus nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Franck-Hertz-Versuch

Der Austausch von Energie zwischen freien Elektronen und Elektronen, die in der Atomhülle eines Atoms gebunden sind, erfolgt in Energiequanten. Die erlaubten Energieniveaus in der Atomhülle der betreffenden Atomsorte legen fest, welche Energiequanten aufgenommen (absorbiert) oder abgegeben (emittiert) werden.

Annahme 1: Das klassische Rutherfordsche Atommodell modelliert ein Atom richtig
Statistisch gibt es in einem Gas einen ständigen Austausch von Energie, da die Wasserstoffmoleküle eine kinetische Energie haben und ständig aufeinandertreffen. Wenn der Energieaustausch mit einem Hüllenelektron nicht quantisiert erfolgt, sondern das Hüllenelektron beliebige Energiemengen aufnehmen könnte, dann könnten Hüllenelektronen aus zufälligen Energienivaus in den Grundzustand übergehen und dabei Licht aussenden. Wenn zufällig hinreichend viele Atome in einem kurzen Zeitraum Energie an ein einzelnes Wasserstoffatom abgegen, könnte ein gebundenes Elektron auch sehr viel Energie aufnehmen und von einem hohen Energieniveau auf den Grundzustand fallen und dabei sichtbares Licht aussenden.

Wenn Atome klassische Systeme wären, dann müsste ein Wasserstoffgas oder ein beliebiges anderes Gas bei Zimmertemperatur immer etwas leuchten. Ein Raum wäre damit niemals ganz dunkel. Wenn man die Temperatur eines Raumes weiter erhöhen würde, dann könnte man eine deutliche Zunahme des Leuchtens des Gases beobachten.

Annahme 2: Das quantenphysikalische Atommodell modelliert ein Atom richtig
Wenn ein Wasserstoffatom Energie nur in Quanten aufnehmen kann, die den Energiedifferenzen der erlaubten Energieniveaus in der Atomhülle entsprechen, dann kann ein gebundenes Elektron nur angeregt werden, wenn die freien Atome im Gas hinreichend viel kinetische Energie haben. Bei einer Temperatur \(T\) beträgt die mittlere Bewegungsenergie eines Gasmoleküls \(E_\text{kin} = \frac{3}{2} \cdot k \cdot T\), mit \(k\) = Boltzmannkonstante. Bei Raumtemperatur ist das eine mittlere Energie von ca. \(0,04 \, \text{eV}\). Das erste erlaubte Energieniveau im Wasserstoffatom hat eine Energie von \(10,2 \, \text{eV}\), so dass es durch die Wechselwirkung mit den anderen freien Atomen im Wasserstoffgas nicht angeregt werden kann.

Die Verteilung der mittleren Energie im Gas können Sie in der folgenden Simulation beobachten.

Quelle: PhET

Die Quantentheorie erklärt, warum ein Stern nur dann leuchten kann, wenn seine Temperatur extrem hoch ist. Denn erst bei extrem hohen Temperaturen haben die Atome und Moleküle in einem Stern hinreichend viel kinetische Energie, um bei einer Wechselwirkung die gebundenen Elektronen in der Atomhülle anzuregen.

Die Quantentheorie erklärt damit, warum in der klassischen Gastheorie die innere Struktur der Atome nicht beachtet werden muss, solange die Temperatur im Gas nicht sehr hoch ist. Solange die mittlere kinetische Energie der Moleküle und Atome nicht mit den Energieunterschieden der Energieniveaus der gebundenen Elektronen vergleichbar ist, können die gebundenen Elektronen in der Atomhülle der Atome keine Energie aufnehmen. Nach dem Korrespondenzprinzip modelliert die klassische Gastheorie das Verhalten von Gasen bei hinreichend niedrigen Temperaturen erfolgreich.