5.7 Röntgenspektrum


Bezug zum Kerncurriculum:

  • eA: Ich kann quantenhafte Emission anhand von Experimenten zu Linienspektren bei Röntgenstrahlung erläutern.

Im Jahr 1895 hat Wilhelm Conrad Röntgen eine neue Art von Licht entdeckt, die er selbst X-Strahlen nannte. Ihm zu Ehren wird diese Strahlung heute in Deutschland Röntgenstrahlung genannt. In anderen Ländern verwendet man die Bezeichnung "X-Rays". Röntgenstrahlung ist Licht mit extrem kurzer Wellenlänge (\(\lambda \approx \, 10^{-10} \, \text{m}\)), das manche Materie leicht durchdringen kann und von anderer Materie absorbiert wird. Das unterschiedliche Absorptionsverhalten in Materie kann man nutzen, um z.B. Aufnahmen des menschlichen Skeletts für medizinische Untersuchungen durchzuführen, ohne den Körper dazu öffnen zu müssen.

Röntgenstrahlung wird in einer Röntgenröhre erzeugt. In einer Röntgenröhre werden Elektronen aus einer Glühkathode aufgrund des glühelektrischen Effekts emittiert. Mit Hilfe einer Beschleunigungsspannung \(U_B\) von mehreren tausend Volt werden Elektronen, welche jeweils die Ladung \(e\) tragen, auf eine kinetische Energie \(E_\text{kin} = e \cdot U_B\) beschleunigt und treffen dann auf eine Metallanode. Die hochenergetischen Elektronen wechselwirken mit den Atomen der Metallanode und verlieren dadurch kinetische Energie:

  • der größte Teil der kinetischen Energie wird in Wärmeenergie umgewandelt, weswegen die Metallanode stark aufgeheizt wird,
  • ein kleiner Teil der kinetischen Energie wird in der Metallanode in Lichtenergie umgewandelt und wird als Röntgenlicht mit sehr kurzer Wellenlänge abgestrahlt.

In diesem Kapitel wird die Entstehung des Röntgenlichts in der Metallanode modelliert.

Beim Franck-Hertz-Versuch haben Sie gesehen, dass wir bei Elektronen zwei Existenzweisen unterscheiden müssen:

  • freie Elektronen, die jede beliebige kinetische Energie haben können und
  • an Protonen gebundene Elektronen, die sich in der Atomhülle eines Atoms befinden und nur ganz bestimmte erlaubte Energien haben können. Die Energie eines gebundenen Elektrons in der Atomhülle eines Atoms setzt sich zusammen aus seiner kinetischen Energie und seiner potentiellen Energie.

Wenn ein freies Elektron, welches die Ladung \(e\) trägt, durch die Beschleunigungsspannung \(U_\text{B}\) auf eine große kinetische Energie \(E_\text{kin}\) beschleunigt wurde, trifft es mit der Energie \(E_\text{kin} = e \cdot U_\text{B}\) auf die Metallanode. In der Metallanode wechselwirkt das freie Elektron mit den Atomen des Metallgitters und wird dadurch abgebremst.

Wenn ein freies Elektron abgebremst wird, dann gibt es Energie in Form von Photonen an die Umgebung ab:

  • wenn freie Elektronen stark abgebremst werden, senden sie hochenergetische Photonen aus. Diese hochenergetischen Photonen können die Metallanode verlassen und werden Röntgen-Bremsstrahlung genannt.

  • wenn freie Elektronen nur gering abgebremst werden, haben die dabei emittierten Photonen wenig Energie und werden innerhalb der Metallanode sofort wieder absorbiert. Die Metallanode wird aufgeheizt.

Im extremsten Fall kann man sich vorstellen, dass ein Elektron mit der kinetischen Energie \(E_\text{kin} = e \cdot U_B\) eine Vollbremsung durchführt. Bei einer Vollbremsung würde die gesamte Energie des Elektrons als ein Photon emittiert werden. Die Energie des Photons wäre dann \(E_\text{Photon} = h \cdot f = h \cdot \frac{c}{\lambda} = e \cdot U_B\). Im Spektrum der Röntgenstrahlung müsste man dann eine kleinste Wellenlänge \(\lambda_\text{Gr}\) beobachten, die nur von der Beschleunigungsspannung \(U_B\) abhängt.

Und tatsächlich beobachtet man bei Experimenten mit Röntgenröhren eine kleinste auftretende Wellenlänge \(\lambda_\text{Gr}\) der Röntgenstrahlung und damit Photonen mit einer maximalen Energie \(E_\text{Photon} = h \cdot f = h \cdot \frac{c}{\lambda_\text{Gr}}\), die nur von der Beschleunigungsspannung \(U_B\) abhängt, mit welcher die Elektronen beschleunigt wurden.

Wenn man die Intensität über der Frequenz auftragen würde, könnte man eine größte Frequenz \(f_\text{Gr}\) beobachten. Es gilt:

  • Je größer die Beschleunigungsspannung \(U_B\) ist, desto kleiner ist die Grenzwellenlänge \(\lambda_\text{Gr}\) bzw. desto größer ist die Grenzfrequenz \(f_\text{Gr}\).
  • Je kleiner die Beschleunigungsspannung \(U_B\) ist, desto größer ist die Grenzwellenlänge \(\lambda_\text{Gr}\) bzw. desto kleiner ist die Grenzfrequenz \(f_\text{Gr}\).

Wenn ein freies Elektron genügend kinetische Energie besitzt, gibt es eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass es mit einem Hüllenelektron eines Atoms in der Metallanode wechselwirken kann. Dabei kann es nur genau die Energie an das Hüllenelektron abgeben, die benötigt wird, um das Hüllenelektron auf ein höheres Energieniveau anzuheben, das in der Atomhülle vorhanden ist.

Im Modell des linearen Potentialtopfes wird ein erlaubtes Energieniveau mit einer stehenden Welle modelliert:

Wenn ein freies Elektron durch Wechselwirkung ein gebundenes Hüllenelektron auf ein erlaubtes höheres Energieniveau angeregt hat, geht das angeregte Elektron spontan nach kurzer Zeit in einen niedrigeren Energiezustand über und emittiert dabei die Energiedifferenz als Photon. Das wiederholt sich solange, bis das angeregte Elektron den Grundzustand erreicht hat.

Da in der Atomhülle eines bestimmten Metalls nur bestimmte Energieübergänge möglich sind, entstehen im Röntgenspektrum ausgeprägte Maxima (Peaks), die charakteristisch für eine Metallsorte sind. Die Wellenlängen im Röntgenlicht, die von gebundenen Elektronen in den Atomhüllen der Metallatome ausgesendet werden, nennt man charakteristisches Röntgenspektrum.

In der folgenden Simulation können Sie die Entstehung des Bremsspektrums und des charakteristischen Spektrums nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Röntgenröhre

Röntgenlicht hat eine extrem kleine Wellenlänge. Damit Interferenzphänomene beobachtet werden können, müssen die Strukturen, mit welchen man eine Überlagerung der Wellenzüge erzeugen möchte, in der Größenordnung der Wellenlänge der Röntgenstrahlung sein. Kristalle haben eine Strukturgröße, die geeignet ist. Bei der Reflexion von Röntgenlicht an einem Kristall tritt Bragg-Interferenz auf.

Das zu analysierende Röntgenlicht verlässt an einer bestimmten Stelle die Röntgenröhre. Mit Hilfe eines Kollimators werden in eine bestimmte Richtung nur parallele Wellenzüge der Röntgenstrahlung durchgelassen, die anderen Wellenzüge werden aufgenommen (absorbiert).

Die parallelen Wellenzüge treffen auf einen Kristall (z.B. NaCl = Natrium-Chlorid, LiF = Lithium-Fluorid) und werden dort reflektiert. Auf der anderen Seite des Kristalls beobachtet man mit Hilfe eine Detektors unter dem gleichem Winkel, in dem die Wellenzüge auf den Kristall getroffen sind (Glanzwinkel), ein Maximum. Die Bragg-Gleichung liefert die Wellenlänge der Röntgenstrahlung, welche das beobachtete Maximum erzeugt:

\[ \lambda = 2 \cdot d \cdot sin(\alpha)\]

Mit Hilfe eines geeigneten Detektors (z.B. ein Geiger-Müller-Zählrohr), kann man die Intensität der Röntgenstrahlung bestimmen, die das Maximum erzeugt.

In der folgenden Simulation können Sie den Aufbau und die Durchführung eines Drehkristallexperiments zur Messung des Spektrums einer Röntgenröhre nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Drehkristall-Versuch