1.2 Elektrisches Feld


Bezug zum Kerncurriculum:

  • Ich kann elektrische Felder durch ihre Kraftwirkungen auf geladene Probekörper beschreiben.
  • Ich kann Feldlinienbilder für das homogene Feld, das Feld einer Punktladung und das eines Dipols skizzieren.
  • Ich kenne die Einheit der elektrischen Ladung und kann die physikalische Größe "elektrische Feldstärke" erklären.
  • Ich kann Experimente zur Bestimmung der elektrischen Feldstärke auf der Grundlage von Kraftmessungen beschreiben.
  • Ich kann den Zusammenhang zwischen der Feldstärke in einem Plattenkondensator und der anliegenden Spannung beschreiben.
  • Ich kann die elektrische Spannung auch als Potenzialdifferenz beschreiben.
  • Ich kann die Funktionsweise eines faradayschen Käfigs als Resultat des Superpositionsprinzips beschreiben.


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Für die experimentelle Bestimmung der elektrischen Feldstärke \(E\) im Plattenkondensator bei einer bestimmten Spannung \(U\) kann die stabile Gleichgewichtslage des Pendels genutzt werden. Das Pendel erfährt wegen der Schwerkraft der Erde eine Kraft senkrecht nach unten und wegen der wirkenden elektrischen Kraft eine Kraft in Richtung der Kondensatorplatten. Die Schnur lenkt diese Kräfte zum Teil um, so dass zum einen die Schnur gespannt wird und zum anderen das Pendel eine Kraft tangential zu der Kreisbahn erfährt, auf welcher es sich bewegt. Wenn das Pendel in der Luft still steht, dann ist die horizontale Komponente der Seilkraft und der elektrische Kraftvektor vom Betrag gleich groß und entgegengesetzt gerichtet.

Gleichgewichtslage

In dieser Gleichgewichtslage findet man zwei rechtwinkelige Dreiecke:

Mit Hilfe dieser beiden rechtwinkeligen Dreiecke und den Sätzen der Trigonometrie (Sinus, Cosinus, Tangens,...) kann man eine Formel für die elektrische Feldstärke herleiten, in welcher Größen stehen, die man experimentell messen kann.



Im unteren rechtwinkeligen Dreieck ist \(F_G\) die Ankathete und \(F_\rm{el}\) die Gegenkathete zum Winkel \(\alpha\). Damit gilt:

\(\tan(\alpha) = \frac{\text{Gegenkathete}}{\text{Ankathete}} = \frac{F_{el}}{F_G}\)

Nach \(F_\rm{el}\) auflösen:

\(F_\text{el} = F_\text{G} \cdot \tan \left( \alpha \right)\)
Im oberen rechtwinkeligen Dreieck ist die Seillänge \(L\) die Hypothenuse und die Strecke \(s\) ist die Gegenkathete zum Winkel \(\alpha\). Damit gilt:

\(\sin(\alpha) = \frac{\text{Gegenkathete}}{\text{Hypothenuse}} = \frac{s}{L}\)

Nach \(\alpha\) auflösen:

\(\alpha = \arcsin \left( \frac{s}{L} \right)\)
\(\alpha = \arcsin \left( \frac{s}{L} \right)\) kann man in das Argument von \(\tan(\alpha)\) einsetzen: \(F_\text{el} = F_\text{G} \cdot \tan \left( \arcsin \left( \frac{s}{L} \right) \right)\)
Für die Gewichtskraft \(F_\text{G}\) gilt \(F_\text{G} = m \cdot g\), wobei \(g\) der Ortsfaktor ist. Damit gilt für die elektrische Kraft: \(F_\text{el} = m \cdot g \cdot \tan \left( \arcsin \left( \frac{s}{L} \right) \right)\)
Die elektrische Feldstärke \(E\) ist per Definition die elektrische Kraft pro Ladung, also: \(E = \frac{F_\rm{el}}{Q}\)
Setzt man die gefundene Formel für die elektrische Kraft \(F_\rm{el}\) ein, folgt insgesamt für die elektrische Feldstärke \(E\): \(E = \frac{F_\text{el}}{Q} = \frac{m \cdot g}{Q} \cdot \tan \left( \arcsin \left( \frac{s}{L} \right) \right)\)

Damit ist eine geeignete Formel hergeleitet worden, um im Pendelexperiment die elektrische Feldstärke \(E\) messen und berechnen zu können:

\[ E = \frac{m \cdot g}{Q} \cdot \tan \left( \arcsin \left( \frac{s}{L} \right) \right)\]


Näherung

In einem realen Experiment verwendet man eine sehr lange Schnur für die Aufhängung der Pendelkugel und die Auslenkung des Pendels wird sehr klein sein. Man beobachtet also nur sehr kleine Auslenkungswinkel. Für kleine Winkel \(\alpha < 5°\) gilt in guter Näherung:

\[ \tan(\alpha) \approx \sin(\alpha)\]

Beispiel: \(\sin(3°) = 0,05234\) und \(\tan(3°) = 0,05240\).

Damit gilt für kleine Winkel \(\alpha\) folgende Näherung:

\[ \tan \left( \arcsin \left( \alpha \right) \right) \approx \alpha\]

Ersetzt man \(\alpha\) mit \(\frac{s}{L}\), dann folgt:

\[ \tan \left( \arcsin \left( \frac{s}{L} \right) \right) \approx \frac{s}{L}\]

Also kann man in der Formel für die elektrische Feldstärke bei kleinen Auslenkungswinkeln den Ausdruck \(\tan \left( \arcsin \left( \frac{s}{L} \right) \right)\) mit \(\frac{s}{L}\) ersetzen:

Für kleine Auslenkungswinkel gilt im Pendelexperiment für die elektrische Feldstärke \(E\):

\[ E = \frac{m \cdot g \cdot s}{Q \cdot L}\]


Messung der Größen

Die notwendigen Messgrößen \(m\), \(g\), \(s\), \(Q\) und \(L\) können in einem realen Experiment wie folgt gemessen werden:

  • Die Masse \(m\) kann mit einer geeigneten Waage gemessen werden.

  • Der Ortsfaktor \(g\) kann der Formelsammlung entnommen werden: \(g = 9,81 \frac{\rm{N}}{\rm{kg}}\).

  • In einem realen Experiment wird die Auslenkung \(s\) des Pendels sehr klein sein. Wenn man die Auslenkung mit Hilfe einer Lampe auf einen entfernten Schirm projiziert, kann man eine größere Strecke leicht messen und die gesuchte Strecke mit Hilfe des Strahlensatzes berechnen. Zuerst misst man in der Ruhelage bei ungeladenem Kondensator die Entfernung \(a\) zwischen Lampe und Kugel im Kondensator. Dann die Entfernung \(a'\) zwischen Lampe und Schirm auf den projiziert wird. Dann markiert man auf dem Schirm die Projektion der Position der Kugel in Ruhelage. Schließlich lädt man den Kondensator auf und misst auf dem Schirm die Länge \(s'\), also die Projektion der Strecke \(s\) auf den Schirm bei ausgelenkter Kugel. Nach dem Strahlensatz folgt \(\frac{a}{a'} = \frac{s}{s'}\). Damit kann man \(s\) mit folgender Formel berechnen: \(s = \frac{a}{a'} \cdot s'\).

  • Die Schnurlänge \(L\) kann mit einem geeigneten Metermaß gemessen werden.

  • Die Ladung \(Q\) kann mit der "Pendelmethode" gemessen werden. Pro Anschlag wird die Ladung \(Q_K\) von einer Platte zur anderen transportiert. Bei der Hin- und Herbewegung der Kugel fließt ein pulsierender Gleichstrom, der das Vorzeichen der Ladung bei jeder Plattenberührung ändert. Ein geeignetes Messgerät kann jeweils den Betrag des pulsierenden Gleichstroms bestimmen und die mittlere Stromstärke anzeigen. Ist \(t_1\) die Zeit, die die Kugel von einer Platte zur anderen benötigt, gilt damit: \(\overline{I} = \frac{Q_K}{t_1}\). Während einer Messung zählt man jetzt z.B. 100 Pendelbewegungen von einer Platte zur anderen und misst dabei mit einer Stoppuhr die Zeit \(t_{100}\) für alle 100 Pendelbewegungen. Für die Zeit für eine Pendelbewegung gilt dann: \(t_1 = \frac{t_{100}}{100}\). Ließt man vom Messgerät die mittlere Stromstärke \(\overline{I}\) während der 100 Pendelbewegungen ab, kann man damit die Ladung der Kugel angenähert berechnen: \(Q_K = \overline{I} \cdot t_1\).

In einem Experiment wurde an zwei Kondensatorplatten, die einen Abstand \(d\) haben, eine Spannung \(U\) angelegt. Das Pendel wurde elektrisch geladen und man konnte eine Auslenkung beobachten. Dabei wurden folgende Größen gemessen, mit deren Hilfe die elektrische Feldstärke berechnet wird.

  • Masse der Pendelkugel \(m = 1,3 \, \rm{g}\)
  • Ortsfaktor \(g = 9,81 \, \frac{\rm{N}}{\rm{kg}}\)
  • Auslenkung \(s = 2,1 \, \rm{cm}\)
  • Schnurlänge \(L = 1,5 \, \rm{m}\)
  • Ladung \(Q = 2,5 \, \rm{nC}\)

Schritt 1: Umwandlung der Messgrößen in SI-Einheiten

  • Masse der Pendelkugel \(m = 1,3 \, \rm{g} = 1,3 \cdot 10^{-3} \, \rm{kg}\)
  • Ortsfaktor \(g = 9,81 \, \frac{\rm{N}}{\rm{kg}}\)
  • Auslenkung \(s = 2,1 \, \rm{cm} = 2,1 \cdot 10^{-2} \, \rm{m}\)
  • Schnurlänge \(L = 1,5 \, \rm{m}\)
  • Ladung \(Q = 2,5 \, \rm{nC} = 2,5 \cdot 10^{-9} \, \rm{C}\)

Schritt 2: Einsetzen der Messgrößen in die Formel

\[ E = \frac{m \cdot g}{Q} \cdot \tan \left( \arcsin \left( \frac{s}{L} \right) \right) = \frac{1,3 \cdot 10^{-3} \, \rm{kg} \cdot 9,81 \, \tfrac{\rm{N}}{\rm{kg}}}{2,5 \cdot 10^{-9} \, \rm{C}} \cdot \tan \left( \arcsin \left( \frac{2,1 \cdot 10^{-2} \, \rm{m}}{1,5 \, \rm{m}} \right) \right) = 71423,799988 \, \tfrac{\rm{N}}{\rm{C}}\]

Schritt 3: Bestimmen der maximal anzuzeigenden Stellen hinter dem Komma

Die ungenaueste gegebene Messgröße hat eine Stelle hinter dem Komma in der wissenschaftlichen Darstellung. Wie im Kerncurriculum gefordert, geben wir das Ergebnis mit einer Stelle mehr, also mit zwei Stellen hinter dem Komma in der wissenschaftlichen Darstellung an:

\[ E = 71423,799988 \, \tfrac{\rm{N}}{\rm{C}} = 7,14 \cdot 10^{4} \, \tfrac{\rm{N}}{\rm{C}}\]

Die elektrische Feldstärke in dem Plattenkondensator beträgt: \(E = 7,14 \cdot 10^{4} \, \tfrac{\rm{N}}{\rm{C}}\).

In Worten: Würde man einen Körper zwischen die Kondensatorplatten bringen, der mit einer elektrischen Ladung von \(1 \, \rm{C}\) geladen ist, würde auf diesen eine elektrische Kraft von etwas mehr als \(70.000 \, \rm{N}\) wirken.

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