4.8 MZI - Welcher-Weg-Experimente


Bezug zum Kerncurriculum:

  • eA: Ich kann ein Experiment mit dem Mach-Zehnder-Interferometer mit einzelnen Quantenobjekten unter den Gesichtspunkten Komplementarität und Nichtlokalität interpretieren.

Schickt man nacheinander sehr viele einzelne Quantenobjekte von einer Ein-Quantenobjektquelle durch eine geeignete Doppelspaltanordnung auf einen Schirm, beobachtet man, dass ein Quantenobjekt immer an einem bestimmten Ort auf dem Schirm detektiert wird. Der Auftreffpunkt eines Quantenobjekts ist zufällig, aber jedem Schirmort kann eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden, das Quantenobjekt zu detektieren. Im Lauf der Zeit entsteht das Interferenzbild eines Doppelspalts auf dem Schirm. Ergänzt man die Anordnung mit Detektoren an den Spalten des Doppelspalts und lässt die Detektoren ausgeschaltet, beobachtet man zum Beispiel folgendes Interferenzbild:

Sobald die Detektoren eingeschaltet werden, verschwindet das Interferenzbild und es entsteht die interferenzfreie Überlagerung der Bilder zweier Einzelspalte. Dabei genügt es nur einen einzigen Detektor an einem der Spalte einzuschalten. Das bedeutet: auch wenn das Quantenobjekt nicht gemessen wird, sondern nur gemessen werden könnte, verschwindet das Interferenzbild.

Dieses Verhalten ist seltsam und bis heute unverstanden:

  • Wenn man Detektoren in den Weg von der Quelle zum Schirm stellt und einzelne Quantenobjekte in die Anordnung schickt, detektiert immer nur ein einziger Detektor das ausgesandte Quantenobjekt. Quantenobjekte teilen sich nicht auf! Warum entsteht dann ein Interferenzmuster?

  • Wenn man ein Experiment durchführt in welches Detektoren eingebaut ist, welche detektieren können, welchen Weg ein Quantenobjekt von der Quelle zum Schirm genommen hat, dann verschwindet das Interferenzmuster. Wenn man die Detektoren wieder ausschaltet, dann entsteht wieder das Interferenzmuster. Warum? Warum genügt es, nur einen der beiden Detektoren einzuschalten, damit das Interferenzbild verschwindet?

Auf diese Fragen können Ihnen leider keine Antworten gegeben werden. Die Physik-Gemeinschaft diskutiert bis heute leidenschaftlich darüber und experimentiert fortlaufend intensiv dazu, um diese Fragen zu klären. Es gibt viele Antwort-Vorschläge, aber keine, welche allgemein akzeptiert sind.

In diesem Kapitel werden Sie auf solche fundamentalen Fragen keine Antworten finden, sondern nur lernen, wie ein Quantensystem in einer experimentellen Anordnung modelliert werden kann, um die beobachteten Phänomene statistisch vorhersagen zu können.

Experimenteller Aufbau:

  • Im Mach-Zehnder-Interferometer gibt es zwei Detektoren und mit Hilfe von Strahlteilern und Spiegeln werden jeweils 2 mögliche Wege von der Quelle zu einem der Detektoren aufgebaut.

  • In einen der Interferometerarme wird ein "Welcher-Weg"-Detektor eingebaut. Diesen denken wir uns als einen idealen "Welcher-Weg-Detektor", der ein Photon nicht zerstört, sondern nur detektiert. Einen solchen Detektor gibt es in der Realität nicht, weswegen reale experimentelle Aufbauten komplizierter sind.

  • in die Anordnung werden aus einer Ein-Photonen-Quelle einzelne Photonen geschickt. Die Detektoren denken wir uns so empfindlich, dass einzelne Photonen detektiert werden können.

Wir übertragen Beobachtungen aus realen Experimenten auf unser Gedankenexperiment:

  • wenn der Welcher-Weg-Detektor ausgeschaltet ist, dann beobachtet man an den Detektoren 1 und 2 Interferenz:
    • eine geeignete Modellierung für diese Situation ist das Wellenmodell,
    • wir ordnen jedem Weg eine Wahrscheinlichkeitswelle zu,
    • die Wahrscheinlichkeitswellen befinden sich in Superposition und werden durch Wahrscheinlichkeitszeiger modelliert
    • die optischen Bauteile verändern die Phase eines Wahrscheinlichkeitszeigers relativ zur Anfangsphase, nach den Regeln, die Sie in den letzten beiden Kapitel kennengelernt haben.
    • an jedem Detektor werden die Wahrscheinlichkeitszeiger vektoriell addiert und die Wahrscheinlichkeitsamplitude wird quadriert. Das Ergebnis dieser Rechnung ist die Wahrscheinlichkeit ein Photon an diesem Detektor zu detektieren.
  • wenn der Welcher-Weg-Detektor eingeschaltet ist, dann beobachtet man an den Detektoren 1 und 2 keine Interferenz:
    • sobald die Information "welchen Weg nimmt das Photon" mit Hilfe des Detektors gemessen werden könnte, kollabiert die Superposition der Wahrscheinlichkeitswellen und das Modell muss gewechselt werden,
    • eine geeignete Modellierung für diese Situation ist das Teilchenmodell,
    • wir modellieren das Photon als Lichtquant,
    • an einem Strahlteiler gibt es für Transmission und Reflexion jeweils eine Wahrscheinlichkeit von 50%,
    • die Wahrscheinlichkeit ein Photon am Detektor 1 oder Detektor 2 zu detektieren, beträgt nach den Pfadregeln jeweils 50%.

Nochmal: Das Photon muss nicht tatsächlich vom Welcher-Weg-Detektor gemessen werden, damit die Superposition kollabiert und das Modell gewechselt werden muss. Es genügt, dass der Detektor eingeschaltet ist. Wenn der Detektor eingeschaltet ist und kein Photon detektiert, bevor das Photon von Detektor 1 oder 2 detektiert wurde, haben wir auch damit die Information gewonnen, dass das Photon den anderen Weg gegangen ist.

Wenn der Detektor ausgeschaltet ist, macht es keinen Sinn über einen Weg zu sprechen, den das Photon genommen hat. Über das, was das Photon in der Zeit zwischen der Emission und der Aborption macht, können wir dann keine Aussage machen.

Die Messung oder genauer die mögliche Messung wird in der Quantenphysik zum untrennbaren Bestandteil eines Experiments und muss bei der Modellierung berücksichtigt werden.

Den Wechsel zwischen geeigneten Modellierung, je nachdem wie ein Experiment aufgebaut ist, können Sie in der folgenden Simulation nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: MZI - Welcher-Weg-Detektor

  • Wenn das Experiment so präpariert ist, dass eine Welcher-Weg-Information nicht gemessen werden kann, bleibt die Superposition der Wahrscheinlichkeitswellen erhalten und das Wellen-Modell findet Anwendung. Das Photon kann auf dem Weg nicht an einem Ort lokalisiert werden. Eine Modellierung dieses Experiments mit einem Teilchen-Modell ist nicht möglich.

  • Wenn das Experiment so präpariert ist, dass eine Welcher-Weg-Information gemessen werden könnte, kollabiert die Superposition der Wellenfunktionen für die beiden möglichen Wege. Das Photon muss bei welcher Weg-Entscheidungen mit einem geeigneten Teilchen-Modell modelliert werden (50% an jedem Strahlteiler). Das Photon kann auf dem Weg an einem Ort lokalisiert werden. Eine Modellierung dieses Experiments mit einem Wellen-Modell ist nicht möglich.

Im folgenden Quantenspiel können Sie Ihr quantenphysikalisches Wissen erproben. In ein Mach-Zehnder-Interferometer wird im unteren Weg eine "Quanten-Bombe" platziert, die bereits bei der Wechselwirkung mit einem einzigen Photon "explodiert". Eine Quanten-Bombe kann funktionsfähig oder defekt sein. Wenn Sie defekt ist, kann sie kein Photon absorbieren. Sie sollen entscheiden, ob eine Bombe funktionsfähig oder defekt ist, indem Sie nur die Detektoren beobachten.

Wenn Sie sich über den Zustand einer Bombe sicher sind, soll:

  • die Bombe recycelt werden, wenn sie defekt ist. Setzen Sie dazu die Quanten-Bombe mit der Maus auf das linke Fließband,
  • die Quanten-Bombe als funktionsfähig gekennzeichnet werden, wenn sie funktionsfähig ist. Setzen Sie dazu die Quanten-Bombe mit der Maus auf das rechte Fließband.

Klicken Sie in der folgenden Simulation auf "Reale Anlage", lesen Sie den Text in der linken Spalte durch und sortieren Sie dann 10 Quanten-Bomben richtig. Wenn das Sortieren der Quanten-Bomben nicht richtig klappt und Ihr Punktestand immer wieder auf Null fällt, können Sie sich eine Anleitung im Tab "Erklärung" durchlesen.

Wenn Sie die "Reale Anlage" gemeistert haben, dann können Sie zeigen, dass Sie ein Quanten-Profi sind, indem Sie auf "Herausforderungen" klicken und die 5 Fragen richtig beantworten.

In einem neuen Fenster starten: Quanten-Bomben-Test

  • Wenn das Experiment so präpariert ist, dass eine Wechselwirkung mit der Bombe ausgeschlossen ist (keine Bombe, defekte Bombe), bleibt die Superposition der Wahrscheinlichkeitswellen erhalten und das Wellen-Modell findet Anwendung. Das Photon kann auf dem Weg nicht an einem Ort lokalisiert werden. Eine Modellierung dieses Experiments mit einem Teilchen-Modell ist nicht möglich.

  • Wenn das Experiment so präpariert ist, dass die Wechselwirkung des Photons mit der Bombe gemessen werden könnte, kollabiert die Superposition der Wellenfunktionen für die beiden möglichen Wege. Das Photon muss bei welcher Weg-Entscheidungen mit einem geeigneten Teilchen-Modell modelliert werden (50% an jedem Strahlteiler). Das Photon kann auf dem Weg an einem Ort lokalisiert werden. Eine Modellierung dieses Experiments mit einem Wellen-Modell ist nicht möglich.