Experimente zeigen, dass die Ausbreitung von Quantenobjekten mit einem geeigneten Wellenmodell modelliert werden muss. In diesem Abschnitt wird untersucht, was aus der Modellierung mit einem Wellenmodell mathematisch folgt. Es wird sich zeigen, dass die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation eine direkte Folge der Modellierung von Quantenobjekten mit einem Wellenmodell ist und daher als ein grundlegendes Prinzip der Physik angesehen werden kann.
Eine Welle wird durch die Angabe von Frequenz, Wellenlänge und Amplitude beschrieben. Sie kennen als einfachsten Wellentyp eine sinusförmige Welle. Wenn Sie sich die Wellengleichung für eine sinusförmige Welle ansehen (siehe Kapitel "Wellengleichung"):
\[
s(x,t) = A \cdot sin \left( 2 \pi \cdot \left( \frac{t}{T} - \frac{x}{\lambda} \right) \right),\]
dann stellen Sie fest, dass es für die möglichen Orte \(x\) und die Zeitpunkte \(t\) keine Einschränkung gibt. Eine auf diese Weise dargestellte Welle breitet sich unendlich weit in x-Richtung aus und beschreibt die Schwingung der Oszillatoren für alle zukünftigen Zeitpunkte.
Ein einfaches Gedankenexperiment zeigt, dass eine Welle unendlich ausgedehnt sein muss, wenn man die Frequenz der Welle beliebig genau kennen möchte. In den Weg der Welle wird ein Oszillator gesetzt, der eine weitere Welle aussendet, die mit der ankommenden Welle interferiert. Der Oszillator wird so in Gang gesetzt, dass Amplitude, Frequenz und Phase perfekt mit der ankommenden Welle übereinstimmen. Als resultierende Welle beobachtet man eine Welle mit gleicher Frequenz, Phase und doppelter Amplitude wie die ankommende Welle. Wenn die Frequenzen der beiden Wellen aber nicht perfekt übereinstimmen, kann man Schwebungen beobachten, wie Sie in der folgenden Animation beobachten können.
Gleichen Sie die Frequenz der beiden Welln an und beobachten Sie die Auswirkung auf die resultierende Welle.
Wenn die Frequenzen der Wellen verschieden sind, beobachtet man eine Schwebung.
Wenn die Frequenzen der Wellen genau gleich sind, beobachtet man keine Schwebung.
Folgerung: Falls man die resultierende Welle der beiden interferierenden Wellen eine begrenzte Zeit beobachtet, dann beobachtet man vielleicht in diesem Zeitraum keine Schwebung, so dass man davon ausgehen kann, dass die beiden Frequenzen übereinstimmen. Aber es könnte sein, dass der Unterschied zwischen den beiden Frequenzen so gering ist, dass man erst nach einem deutlich längeren Beobachtungszeitraum eine Schwebung beobachten könnte. Je länger man die Überlagerung der Wellen beobachtet, desto sicherer kann man sein, dass die Frequenzen genau übereinstimmen. Aber vielleicht hat die Frequenz der Welle 1 einen Wert von 23 Hz und die Frequenz der Welle 2 einen Wert von 23,00000000001 Hz. Dann müsste man ziemlich lange warten, bis sich die Wellen relativ zueinander so verschoben haben, dass eine Schwebung sichtbar wird.
Um absolut sicher zu sein, dass beide Wellen die gleiche Frequenz haben, müsste man die beiden Wellen einen unendlich langen Zeitraum beobachten, um absolut sicher ausschließen zu können, dass eine Schwebung sichtbar wird.
Bei der Messung einer unbekannten Frequenz \(f\) gibt es also grundsätzlich eine Messunsicherheit \(\Delta f\), wenn man die sich überlagernden Wellen nur eine bestimmte Zeit \(\Delta t\) beobachtet. Diese Messunsicherheit kann man abschätzen:
Wenn sich die beiden Frequenzen \(f_1\) der ankommenden Welle und \(f_2\) der Messwelle um den Betrag \(\Delta f\) unterscheiden, kann man in einer Zeiteinheit (z.B. 1 Sekunde) \(\Delta f\) Schwebungen beobachten. Man muss mindestens die Zeit \(\Delta t = \frac {1}{\Delta f}\) messen, um eine ganze Schwebung zu beobachten. Man kann also eine Schwebung sicher beobachten, wenn die Messung mindestens solange dauert, bis eine Schwebung sicher aufgetreten ist. Damit gilt für die kleinste sinnvolle Messzeit:
\[
\Delta t \geq \frac{1}{\Delta f}\]
Bringt man die Messgrößen Zeit und Frequenz auf eine Seite, folgt:
\[
\Delta t \cdot \Delta f \geq 1\]
Die Messunsicherheit bei der Messung der Frequenz einer Welle, wenn man diese nur einen bestimmten Zeitraum \(\Delta t\) misst, ist also:
\[
\Delta f \geq \frac{1}{\Delta t}\]
Aus dieser Gleichung kann man folgern:
- Je kleiner der Beobachtungszeitraum \(\Delta t\) ist, desto größer wird die Frequenzmesunsicherheit \(\Delta f\), weswegen man die Frequenz nur mit einer bestimmten Unbestimmtheit angeben kann. Diese Unbestimmtheit für die Frequenzmessung ist um so größer, je kleiner der Messzeitraum ist.
- Wenn die Messunsicherheit \(\Delta f\) für die Frequenzmessung möglichst klein sein soll, dann muss man die Frequenz während eines möglichst großen Zeitraums messen.
Wenn man im Extremfall die Frequenz beliebig genau kennen möchte, müsste die Messunsicherheit \(\Delta f = 0\) sein und der Messzeitraum \(\Delta t\) müsste dafür unendlich groß werden. Eine Folgerung daraus ist, dass es grundsätzlich nicht möglich ist, mit einer endlich langen Messzeit eine Frequenz beliebig genau zu messen.