Das 19. Jahrhundert gilt als Zeitalter der Dampfmaschine, in welchem manche europäischen Länder durch die einsetzende Industrialisierung sehr wohlhabend wurden. Für die Forschung standen, als Folge des Wohlstands, mehr Ressourcen zur Verfügung, als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Einer der erfolgreichen Forscher war Michael Faraday . Neben vielem Anderen widmete sich Faraday dem Magnetismus und der Elektrizitätslehre. Dabei experimentierte er unter anderem mit einer Spule aus Drähten, durch die er einen Magneten schob und beobachtete, dass ein Strom durch die Drahtspule floß, solange der Magnet bewegt wurde. Er beobachtete auch, dass wenn durch eine Drahtspule ein Stromstoß floß, in der Nähe eine Magnetnadel ausschlug. Faraday entdeckte damit die grundlegende Verbindung zwischen Magnetismus und Elektrizität:
- elektrische Ströme erzeugen Magnetfelder
- bewegte Magnete erzeugen elektrische Ströme
Diese beiden Phänomene haben Sie als elektromagnetische Induktion kennengelernt.
Faraday fragte sich, woher eine Magnetnadel wissen kann, dass durch einen Leiter in der Nähe elektrischer Strom fließt? Woher kann ein Stromkabel wissen, dass in seiner Nähe ein Magnet bewegt wurde, so dass sich die Elektronen im Kabel in Bewegung setzen. Aus der damaligen Weltsicht musste es etwas geben, was diese Wirkung überträgt, denn man konnte beobachten, dass es ohne Luft keinen Schall gibt und ohne Wasser keine Wasserwellen.
Faraday nannte den Raum, in dem elektrische oder magnetische Wirkungen beobachtet werden konnten, "elektrisches und magnetisches Feld" und für die unsichtbare Substanz, die den ganzen Raum ausfüllte und die elektrischen und magnetischen Wirkungen übertrug, wählte man den Begriff "Äther". Für Faraday waren das magnetische und elektrische Feld Bereiche des Äthers, die sich in einem besonderen Zustand befanden: der Äther steht unter einer Art mechanischer Spannung und es gibt Kraftlinien im Äther, durch welche die elektromagnetischen Wirkungen mit endlicher Geschwindigkeit übermittelt werden.
1864 stellte James Clerk Maxwell eine Reihe von Gleichungen auf, mit denen alle elektrischen und magnetischen Phänomene beschrieben werden konnten, die von den Forschern im 19. Jahrhundert beobachtet wurden. In moderner Notation lauten die Gleichungen:
\[ \begin{align} \vec{\nabla} \cdot \vec{E} &= \frac{\rho}{\epsilon_0} \\ \vec{\nabla} \cdot \vec{B} &= 0 \\ \vec{\nabla} \times \vec{E} &= - \frac{\partial \vec{B}}{\partial t} \\ \vec{\nabla} \times \vec{B} &= \mu_0 \vec j + \mu_0 \epsilon_0 \frac{\partial \vec{E}}{\partial t} \end{align}\]
Betrachtet man diese Gleichungen im Vakuum, so gibt es keine Ladungen und auch keine Stromdichte. Nach einigen Umformungen (um die zu verstehen, müssten Sie erst ein paar Mathebücher durcharbeiten) erhält man zwei Gleichungen:
\[ \begin{align} \frac{\partial^2 \vec{E}}{\partial t^2} &= c^2 \Delta \vec{E} \\ \frac{\partial^2 \vec{B}}{\partial t^2} &= c^2 \Delta \vec{B} \end{align}\]
Die Physiker interpretierten diese Gleichungen so, dass ein elektrisches und magnetisches Wechselfeld im leeren Raum existieren kann (also eine elektromagnetische Welle), ohne dass dort Ladungen oder Magnete vorhanden sein müssen. Das Trägermedium für diese Welle ist der Äther.
Aus diesen Gleichungen folgt ein Term für die Geschwindigkeit \(c\) elektromagnetischer Wellen im Vakuum:
\[ \begin{align} c^2 &= \frac{1}{\mu_0 \cdot \epsilon_0} \\ c &= \sqrt {\frac{1}{\mu_0 \cdot \epsilon_0}} = \frac{1}{\sqrt {\mu_0 \cdot \epsilon_0}} \end{align}\]
Setzt man in diese Gleichung die elektrische Feldkonstante \(\epsilon_0 = 8,854187 \cdot 10^{-12} \tfrac{\text{A s}}{\text{V m}}\) und die magnetische Feldkonstante \(\mu_0 = 1,256642 \cdot 10^{-6} \tfrac{\text{N}}{\text{A}^2}\) ein, so folgt für die Lichtgeschwindigkeit \(c\):
\[ c = \frac{1}{\sqrt {1,256642 \cdot 10^{-6} \tfrac{\text{N}}{\text{A}^2} \cdot 8,854187 \cdot 10^{-12} \tfrac{\text{A s}}{\text{V m}}}} = 299.792 \cdot 10^8 \tfrac{m}{s}\]
also der Wert der Lichtgeschwindigkeit den Sie aus der Formelsammlung kennen. In dieser Gleichung, mit welcher die Lichtgeschwindigkeit berechnet wird, stehen ausschließlich Naturkonstanten. Da steht nichts von einem zurückgelegten Weg und einer dafür benötigten Zeit! Die Schlussfolgerung der Physiker*innen war:
Elektromagnetische Wellen breiten sich relativ zum Äther mit einer konstanten Geschwindigkeit aus!
Das ist vergleichbar mit dem Phänomen bei Schall, bei dem man messen kann, dass sich Schall relativ zu Luft mit einer konstanten Geschwindigkeit von etwa \(340 \, \rm \tfrac{m}{s}\) ausbreitet. Ein bekanntes Phänomen bei Schall war der Doppler-Effekt: Wenn sich eine Schallquelle relativ zur ruhenden Luft bewegt, konnte man beobachten, dass sich für einen Beobachter die Tonhöhe von Schall ändert. Wenn sich ein Objekt auf den Beobachter zu bewegt, wird die Tonhöhe höher, wenn sich das Objekt vom Beobachter weg bewegt, wird die Tonhöhe niedriger (das typische Geräusch eines Krankenwagens beim Vorbeifahren).
Wenn sichtbares Licht eine elektromagnetische Welle ist, folgt daraus, dass das sichtbare Licht sich mit der immer gleichen Geschwindigkeit relativ zum Äther ausbreitet. Da wir die Sonne und auch die Sterne sehen, muss der Äther als Trägermedium für das Licht das ganze Universum ausfüllen.