3.15 Lichtgeschwindigkeit als Konstante


Bezug zum Kerncurriculum:

  • Physikalische Allgemeinbildung

Das 19. Jahrhundert gilt als Zeitalter der Dampfmaschine, in welchem manche europäischen Länder durch die einsetzende Industrialisierung sehr wohlhabend wurden. Für die Forschung standen, als Folge des Wohlstands, mehr Ressourcen zur Verfügung, als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Einer der erfolgreichen Forscher war Michael Faraday . Neben vielem Anderen widmete sich Faraday dem Magnetismus und der Elektrizitätslehre. Dabei experimentierte er unter anderem mit einer Spule aus Drähten, durch die er einen Magneten schob und beobachtete, dass ein Strom durch die Drahtspule floß, solange der Magnet bewegt wurde. Er beobachtete auch, dass wenn durch eine Drahtspule ein Stromstoß floß, in der Nähe eine Magnetnadel ausschlug. Faraday entdeckte damit die grundlegende Verbindung zwischen Magnetismus und Elektrizität:

  • elektrische Ströme erzeugen Magnetfelder
  • bewegte Magnete erzeugen elektrische Ströme

Diese beiden Phänomene haben Sie als elektromagnetische Induktion kennengelernt.

Faraday fragte sich, woher eine Magnetnadel wissen kann, dass durch einen Leiter in der Nähe elektrischer Strom fließt? Woher kann ein Stromkabel wissen, dass in seiner Nähe ein Magnet bewegt wurde, so dass sich die Elektronen im Kabel in Bewegung setzen. Aus der damaligen Weltsicht musste es etwas geben, was diese Wirkung überträgt, denn man konnte beobachten, dass es ohne Luft keinen Schall gibt und ohne Wasser keine Wasserwellen.

Faraday nannte den Raum, in dem elektrische oder magnetische Wirkungen beobachtet werden konnten, "elektrisches und magnetisches Feld" und für die unsichtbare Substanz, die den ganzen Raum ausfüllte und die elektrischen und magnetischen Wirkungen übertrug, wählte man den Begriff "Äther". Für Faraday waren das magnetische und elektrische Feld Bereiche des Äthers, die sich in einem besonderen Zustand befanden: der Äther steht unter einer Art mechanischer Spannung und es gibt Kraftlinien im Äther, durch welche die elektromagnetischen Wirkungen mit endlicher Geschwindigkeit übermittelt werden.

1864 stellte James Clerk Maxwell eine Reihe von Gleichungen auf, mit denen alle elektrischen und magnetischen Phänomene beschrieben werden konnten, die von den Forschern im 19. Jahrhundert beobachtet wurden. In moderner Notation lauten die Gleichungen:

\[ \begin{align} \vec{\nabla} \cdot \vec{E} &= \frac{\rho}{\epsilon_0} \\ \vec{\nabla} \cdot \vec{B} &= 0 \\ \vec{\nabla} \times \vec{E} &= - \frac{\partial \vec{B}}{\partial t} \\ \vec{\nabla} \times \vec{B} &= \mu_0 \vec j + \mu_0 \epsilon_0 \frac{\partial \vec{E}}{\partial t} \end{align}\]

Betrachtet man diese Gleichungen im Vakuum, so gibt es keine Ladungen und auch keine Stromdichte. Nach einigen Umformungen (um die zu verstehen, müssten Sie erst ein paar Mathebücher durcharbeiten) erhält man zwei Gleichungen:

\[ \begin{align} \frac{\partial^2 \vec{E}}{\partial t^2} &= c^2 \Delta \vec{E} \\ \frac{\partial^2 \vec{B}}{\partial t^2} &= c^2 \Delta \vec{B} \end{align}\]

Die Physiker interpretierten diese Gleichungen so, dass ein elektrisches und magnetisches Wechselfeld im leeren Raum existieren kann (also eine elektromagnetische Welle), ohne dass dort Ladungen oder Magnete vorhanden sein müssen. Das Trägermedium für diese Welle ist der Äther.

Aus diesen Gleichungen folgt ein Term für die Geschwindigkeit \(c\) elektromagnetischer Wellen im Vakuum:

\[ \begin{align} c^2 &= \frac{1}{\mu_0 \cdot \epsilon_0} \\ c &= \sqrt {\frac{1}{\mu_0 \cdot \epsilon_0}} = \frac{1}{\sqrt {\mu_0 \cdot \epsilon_0}} \end{align}\]

Setzt man in diese Gleichung die elektrische Feldkonstante \(\epsilon_0 = 8,854187 \cdot 10^{-12} \tfrac{\text{A s}}{\text{V m}}\) und die magnetische Feldkonstante \(\mu_0 = 1,256642 \cdot 10^{-6} \tfrac{\text{N}}{\text{A}^2}\) ein, so folgt für die Lichtgeschwindigkeit \(c\):

\[ c = \frac{1}{\sqrt {1,256642 \cdot 10^{-6} \tfrac{\text{N}}{\text{A}^2} \cdot 8,854187 \cdot 10^{-12} \tfrac{\text{A s}}{\text{V m}}}} = 299.792 \cdot 10^8 \tfrac{m}{s}\]

also der Wert der Lichtgeschwindigkeit den Sie aus der Formelsammlung kennen. In dieser Gleichung, mit welcher die Lichtgeschwindigkeit berechnet wird, stehen ausschließlich Naturkonstanten. Da steht nichts von einem zurückgelegten Weg und einer dafür benötigten Zeit! Die Schlussfolgerung der Physiker*innen war:

Elektromagnetische Wellen breiten sich relativ zum Äther mit einer konstanten Geschwindigkeit aus!

Das ist vergleichbar mit dem Phänomen bei Schall, bei dem man messen kann, dass sich Schall relativ zu Luft mit einer konstanten Geschwindigkeit von etwa \(340 \, \rm \tfrac{m}{s}\) ausbreitet. Ein bekanntes Phänomen bei Schall war der Doppler-Effekt: Wenn sich eine Schallquelle relativ zur ruhenden Luft bewegt, konnte man beobachten, dass sich für einen Beobachter die Tonhöhe von Schall ändert. Wenn sich ein Objekt auf den Beobachter zu bewegt, wird die Tonhöhe höher, wenn sich das Objekt vom Beobachter weg bewegt, wird die Tonhöhe niedriger (das typische Geräusch eines Krankenwagens beim Vorbeifahren).

Wenn sichtbares Licht eine elektromagnetische Welle ist, folgt daraus, dass das sichtbare Licht sich mit der immer gleichen Geschwindigkeit relativ zum Äther ausbreitet. Da wir die Sonne und auch die Sterne sehen, muss der Äther als Trägermedium für das Licht das ganze Universum ausfüllen.

Wenn der Äther das ganze Universum ausfüllt und im Universum ruht, dann muss sich die Erde relativ zum Äther bewegen, genauso wie die Sonne oder das Sonnensystem oder auch unsere ganze Milchstraße, denn die kosmischen Objekte sind in ständiger Bewegung relativ zueinander. Die Relativbewegung der kosmischen Objekte können Sie in der folgenden Simulation nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Relativbewegung

Wenn es einen Äther gibt und die Erde sich relativ zum ruhenden Äther bewegt, dann müsste folgendes gelten:

  • Wenn man die Lichtgeschwindigkeit in die gleiche Richtung misst, in welche die Erde sich bewegt, müsste man einen größeren Wert für die Lichtgeschwindigkeit messen, denn die Lichtgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit der Erde addieren sich.
  • Wenn man die Lichtgeschwindgkeit in die Richtung messen würde, die entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung der Erde orientiert ist, müsste man einen kleineren Wert für die Lichtgeschwindigkeit messen, denn dann würde die Lichtgeschwindigkeit um den Betrag der Geschwindigkeit der Erde relativ zum Äther kleiner gemessen werden.

Gedankenexperiment

  • Die Erde bewegt sich relativ zum ruhenden Äther.

  • Für einen Beobachter auf der Erde bewegt sich ein Bezugspunkt im ruhenden Äther mit einer bestimmten Geschwindigkeit, da die Erde sich bewegt.

  • Wenn Licht sich relativ zum ruhenden Äther immer mit der gleichen Geschwindigkeit bewegt und in die Bewegungsrichtung der Erde ausgesandt wird, dann misst man für das Licht eine geringere Lichtgeschwindigkeit, da die Geschwindigkeit der Erde von der Lichtgeschwindigkeit abgezogen werden muss.

  • Wenn Licht sich relativ zum ruhenden Äther immer mit der gleichen Geschwindigkeit bewegt und entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung der Erde ausgesandt wird, dann misst man für das Licht eine größere Lichtgeschwindigkeit, da die Geschwindigkeit der Erde zu der Lichtgeschwindigkeit addiert werden muss.

Im Jahr 1887 führten die Physiker Albert Michelson und Edward Morley in Cleveland (USA) ein Experiment durch, um die Annahme zu überprüfen, dass sich die Erde relativ zum Äther bewegt: das Michelson-Morley-Experiment.

Für die Relativbewegung der Erde zum Äther erwartete man wegen der Bewegung der Erde um die Sonne eine Geschwindigkeitsänderung von ca. 30 km/s, für die Bewegung des Sonnensystems um das Galaxiezentrum eine Geschwindigkeitsänderung von 220 km/s. Tatsächlich haben Michelson und Morley keine Abweichung von der Lichtgeschwindigkeit mit einer Unsicherheit in der Geschwindigkeitsbestimmung von 4-8 km/s angegeben. Bis 1930 konnte die Messunsicherheit auf 1,5 km/s verbessert werden und im Jahr 1973 gaben Trimmer et al. eine Messunsicherheit von 25 cm/s an.

Das Ergebnis all dieser Experimente kann so interpretiert werden, dass Licht sich nicht mit einer konstanten Lichtgeschwindigkeit relativ zu einem Äther bewegt. Die Physiker*innen einigten sich auf die Folgerung:

Der Äther als Trägermedium für Licht existiert nicht!

Wie sie bereits gesehen haben, legen die Gleichungen zur Beschreibung elektromagnetischer Wellen nahe, dass die Lichtgeschwindigkeit eine Konstante ist:

\[ \begin{align} c &= \sqrt {\frac{1}{\mu_0 \cdot \epsilon_0}} = \frac{1}{\sqrt {\mu_0 \cdot \epsilon_0}} = 299.792 \cdot 10^8 \tfrac{m}{s} \end{align}\]

Wenn kein Äther existiert, dann gibt es aber auch kein absolutes Bezugssystem für die Bewegung des Lichts. Relativ zu was ist die Lichtgeschwindigkeit dann aber konstant? Ein junger Physiker, der am Patentamt in Bern arbeitete, stellte folgende kühne Hypothese auf:

In Bezugssystemen, die sich relativ zueinander mit konstanter Geschwindigkeit bewegen (Inertialsysteme), misst jeder Beobachter für die Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum immer den gleichen Wert von \(299.793.458 \tfrac{m}{s}\).

Der junge Physiker war Albert Einstein, der in dem Aufsatz "Zur Elektrodynamik bewegter Körper" Folgerungen aus der Hypothese entwickelte.

Was ist mit der Hypothese gemeint, dass jeder Beobachter immer den gleichen Wert für die Lichtgeschwindigkeit misst?

Wie Sie in der ersten Simulation in diesem Kapitel nachvollzogen haben, müssen wir für die Bewegung eines Objekts immer auch angeben, relativ zu welchem anderen Objekt wir den Bewegungszustand messen:

  • Wenn Sie am Fenster stehen und ihre Umgebung betrachten, dann sehen Sie die Nachbarhäuser, die Bäume,... relativ zu ihnen in Ruhe. Die Geschwindigkeit des Nachbarhauses messen Sie mit 0 m/s.
  • Für einen Beobachter, der in einem Raumschiff relativ zur Sonne bewegungslos im Sonnensystem ruht, sind Sie, die Häuser,... in schneller Bewegung, denn die Erde rotiert um die eigene Achse und bewegt sich um die Sonne.
  • Für einen Beobachter, der ausserhalb des Sonnensystems relativ zum Mittelpunkt der Milchstrasse ruht, bewegt sich das Raumschiff mit einer hohen Geschwindigkeit um das Zentrum der Milchstraße.
  • ...

Es ist nur möglich, Bewegung relativ zu anderen Objekten zu beschreiben. Wären Sie alleine in einem leeren Kosmos, könnten Sie nicht entscheiden, ob Sie ruhen oder sich bewegen. Nur ein anderer Beobachter, der Sie relativ zu sich selbst beobachtet, kann entscheiden, ob Sie sich relativ zu ihm bewegen.

Was Sie jedoch selbst bemerken könnten, ist eine Geschwindigkeitsänderung, also eine Beschleunigung. Aus dem Physikunterricht wissen Sie, dass eine Beschleunigung durch eine wirkende Kraft verursacht wird (2. Newtonsche Grundgesetz: \(F = m \cdot a\)). Diese Kraft könnten Sie spüren. Wir betrachten im folgenden Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit.

In der folgenden Simulation können Sie nachvollziehen, wie verschiedene Beobachter Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit messen.

Angenommen im Weltall fliegt ein Raumschiff. Um die Position des Raumschiffs bestimmen zu können, wurden in regelmäßigen Abständen Positionsmarkierungen ausgesetzt, die relativ zueinander in Ruhe und mit einer Nummer bezeichnet sind. Die Messung beginnt, wenn sich das Raumschiff an der rot markierten Startposition befindet.

In einem neuen Fenster starten: Relativgeschwindigkeit

Was ist die Folge, wenn der Satellit in einem zweiten Gedankenexperiment mit einem Lichtpuls ersetzt wird. Angenommen man installiert einen Laser auf dem Raumschiff, der einen kurzen Lichtpuls aussendet. Was beobachten die beiden Beobachter (der eine ruht relativ zur roten Markierung, der andere ruht relativ zum Raumschiff)?

Der Ausgangpunkt für das Gedankenexperiment ist die Hypothese von Albert Einstein, dass beide Beobachter, sowohl der Beobachter, der relativ zum roten Bezugspunkt ruht, als auch der Beobachter, der relativ zum Raumschiff ruht, immer die gleiche Lichtgeschwindigkeit messen. Damit man den Vorgang beobachten kann, werden auch in dieser Simulation die Geschwindigkeiten als extrem langsam angenommen.

In einem neuen Fenster starten: Konstante Lichtgeschwindigkeit

Die Annahme, dass jeder Beobachter immer den genau gleichen Wert für die Lichtgeschwidigkeit misst, führt zu einem Problem. Sie haben in der Simulation beobachtet, dass aus der Sicht der beiden Beobachter ein gleicher Lichtpuls zu einem gleichen Zeitpunkt an verschiedenen Markierungen gemessen wird.

Der Lichtpuls befindet sich zum gleichen Zeitpunkt an verschiedenen Orten!

Das kann nicht sein, denn es gibt ja nur den einen Lichtpuls!

Die Forderung, dass jeder Beobachter immer die genau gleiche Lichtgeschwindigkeit misst, führt in unserer Vorstellung von Zeit und Raum zu einem Widerspruch! Albert Einstein hat diesen Widerspruch mit einer kühnen Annahme beseitigt:

Wenn die Lichtgeschwindigkeit eine Konstante ist, dann sind Zeit und Raum möglicherweise veränderlich.

Die Schlussfolgerungen, die Albert Einstein erdacht hat, sind dramatisch für unsere Vorstellung von Zeit und Raum. Im Kerncurriculum ist die Relativitätstheorie nicht aufgeführt und damit ist sie auch nicht abiturrelevant. Für Ihre physikalische Allgemeinbildung ist es aber meiner Meinung nach sehr sinnvoll, dass Sie die Grundzüge der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie kennen:

Knapp und ganz ohne Mathematik: Albert Einsteins Relativitätstheorie.

Extrem ausführlich und mit etwas Mathematik: