4.6 Mach-Zehnder-Interferometer


Bezug zum Kerncurriculum:
Ich kann den Aufbau eines Mach-Zehnder-Interferometers beschreiben. Ich kann zur Deutung der Interferenzmuster die Zeigerdarstellung oder eine andere geeignete Darstellung verwenden und den Zusammenhang zwischen der Nachweiswahrscheinlichkeit für ein einzelnes Quantenobjekt und dem Quadrat der resultierenden Zeigerlänge bzw. der Amplitude der resultierenden Sinuskurve beschreiben.


Bei der Beschäftigung mit Experimenten in atomarer Größenordnung haben PhysikerInnen gelernt, dass die Modellierung solcher Experimente nicht mit den klassischen Modellen möglich ist. Vielmehr wurde erkannt, dass eine Vielfalt von Modellen kombiniert werden muss, um die Phänomene in der atomaren Welt geeignet modellieren zu können. Sie haben bislang die folgenden Modelle kennengelernt:

  1. Wellen-Modell: Bei bestimmten Experimenten erzeugen Quantenobjekte ein Interferenzmuster auf dem Schirm. Zur Modellierung des Interferenzmusters verwenden wir bei einem solchen Experiment ein Wellenmodell und nehmen im Rahmen dieses Experiments an, dass die Quantenobjekte wellenartig sind.

  2. Teilchen-Modell: Bei bestimmten Experimenten wechselwirken Quantenobjekte immer an einem bestimmten Ort und tauschen bestimmte Mengen an Energie und Impuls aus. Zur Modellierung der Wechselwirkung verwenden wir bei einem solchen Experiment ein Teilchenmodell und nehmen im Rahmen dieses Experiments an, dass die Quantenobjekte teilchenartig sind.

  3. stochastisches Modell (Zufall): Bei bestimmten Experimenten kann man grundsätzlich nicht genau vorhersagen, wo oder wann ein Quantenobjekt mit einem anderen Quantenobjekt wechselwirken wird. Zur Modellierung des grundsätzlich zufälligen Verhaltens benötigen wir neue Modelle, die Sie bislang noch nicht kennengelernt haben.

  4. welcher-Weg-Modell: Wenn man bei bestimmten Experimenten eine Messanordnung einbaut, mit der man messen könnte, welchen Weg ein Quantenobjekt von der Quelle zum Schirm genommen hat, verschwindet das Interferenzbild. Zur Modellierung des "Welcher-Weg-Phänomens", dass Interferenzmuster durch eine Änderung des experimentellen Aufbaus verschwinden, benötigen wir neue Modelle, die Sie bislang noch nicht kennengelernt haben.

In diesem Kapitel werden Sie einen experimentellen Aufbau kennenlernen, mit dessen Hilfe wir die Modellierung von Quantenobjekten in einer möglichst einfachen Situation durchdenken können, um Modelle zu entdecken, mit welchen Quantenobjekte geeignet modelliert werden können. Ein solcher Aufbau ist ein Mach-Zehnder-Interferometer:

In diesem Kapitel sollen Sie den Aufbau und die Funktionsweise eines Mach-Zehnder-Interferometers detailliert kennenlernen. Dabei werden wir Gedankenexperimente durchführen und dabei überlegen, welche Vorhersagen wir machen können, wenn wir annehmen, dass

  • klassische Objekte
  • elektromagnetische Wellen
  • Photonen

das Mach-Zehnder-Interferometer durchqueren.

Beim Doppelspaltexperiment mit einzelnen Photonen haben Sie gelernt, dass es nicht möglich ist, den Wechselwirkungsort auf dem Schirm vorherzusagen. Es kann nur die Wahrscheinlichkeit angegeben werden, ein Photon an einer Stelle auf dem Schirm zu detektieren. Mit Hilfe des Mach-Zehnder-Interferometers wollen wir ein Modell entwickeln, mit dem es möglich ist, einen Wert für die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, ein Photon an einem der beiden Detektoren zu detektieren.

Beim Mach-Zehnder-Interferometer gibt es von der Quelle zu einem der beiden Detektoren nur zwei mögliche Wege. Die Wege sind räumlich getrennt, so dass die Wege einzeln manipuliert werden können. So hat man mit nur zwei möglichen voneinander räumlich getrennten Wegen, die denkbar einfachste Situation, um Interferenz an einem Detektor erzeugen zu können.

In einem ersten Gedankenexperiment stellen wir eine Quelle an den Eingang, die klassische Teilchen aussendet. Ein "klassisches Teilchen" befindet sich zu jedem Zeitpunkt an einem bestimmten Ort und man kann dem klassischen Teilchen Eigenschaften wie kinetische Energie, Impuls, Masse,... zuordnen. Es soll nun überlegt werden, was die Detektoren messen, wenn klassische Teilchen in das Mach-Zehnder-Interferometer geschickt werden. Diese klassischen Teilchen stellen wir uns so klein vor, dass sie einen Strahlteiler zum Teil durchqueren können und zum Teil reflektiert werden.

Modellierung der klassischen Teilchen im Mach-Zehnder-Interferometer:

  • Wir nehmen an, dass es an einem Strahlteiler eine Wahrscheinlichkeit von 50% gibt, dass das klassische Teilchen am Strahlteiler transmittiert (hindurchfliegt) oder in einem Winkel von 90° reflektiert wird. Das klassische Teilchen kann entweder an den Glasatomen vorbeifliegen, ohne mit diesen wechselzuwirken oder es kollidiert mit den Glasatomen und wird nach dem Reflexionsgesetz reflektiert.
  • Wir nehmen an, dass das klassische Teilchen an einem Spiegel zu 100% in einem Winkel von 90° reflektiert wird.

Vorhersage der Messung an den Detektoren:

  • Es gibt von der Quelle zu Detektor 1 einen möglichen Weg: wenn das klassische Teilchen am Strahlteiler 1 transmittiert und am Spiegel 2 reflektiert wird, dann erreicht es Detektor 1.
  • Es gibt von der Quelle zu Detektor 2 einen möglichen Weg: wenn das klassische Teilchen am Strahlteiler 1 reflektiert und am Spiegel 1 reflektiert wird, dann erreicht es Detektor 2.
  • Da der Strahlteiler so gebaut ist, dass die Wahrscheinlichkeit für "transmittiert werden" und "reflektiert werden" jeweils 50% ist, erreichen jeweils 50% der ausgesandten klassischen Teilchen einen der Detektoren.

In einem zweiten Teilexperiment wird ein zweiter Strahlteiler vor den Detektoren eingebaut:

Vorhersage der Messung an den Detektoren:

  • Es gibt von der Quelle zu Detektor 1 zwei mögliche Wege:
    • das Teilchen wird am Strahlteiler 1 transmittiert, am Spiegel 2 reflektiert und am Strahlteiler 2 transmittiert
    • das Teilchen wird am Strahlteiler 1 reflektiert, am Spiegel 1 reflektiert und am Strahlteiler 2 reflektiert
  • Es gibt von der Quelle zu Detektor 2 zwei mögliche Wege:
    • das Teilchen wird am Strahlteiler 1 transmittiert, am Spiegel 2 reflektiert und am Strahlteiler 2 reflektiert
    • das Teilchen wird am Strahlteiler 1 reflektiert, am Spiegel 1 reflektiert und am Strahlteiler 2 transmittiert

Dafür, dass ein Teilchen am Strahlteiler reflektiert wird ist die Wahrscheinlichkeit 50%, ebenso für die Wahrscheinlichkeit, dass es transmittiert wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass es an den Spiegeln reflektiert wird, ist 100%.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein klassisches Teilchen einen der vier möglichen Wege fliegt, kann mit Hilfe der Pfadregel berechnet werden. Die Wahrscheinlichkeit wird für einen Weg berechnet, indem man die Wahrscheinlichkeiten entlang des Wegs multipliziert. Da es in jedem Weg einen Spiegel und zwei Strahlteiler gibt, ist die Wahrscheinlichkeit für jeden Weg gleich groß:

Wahrscheinlichkeit eines Weges:

  • \(P(\text{Weg}) = 0,5 \cdot 1 \cdot 0,5 = 0,25\);

Das es zwei Wege von der Quelle zu Detektor 1 gibt, kann man die Wahrscheinlichkeit, dass Detektor 1 das Teilchen registriert, ausrechnen, indem man nach der Pfadregel die Wahrscheinlichkeiten für jeden Weg addiert:

  • \(P(\text{Detektor 1 misst das Teilchen}) = P(\text{Weg 1}) + P(\text{Weg 2}) = 0,25 + 0,25 = 0,5 = 50 \%\)

Das es auch zwei Wege von der Quelle zu Detektor 2 gibt, kann man die Wahrscheinlichkeit, dass Detektor 2 das Teilchen registriert, auf die gleiche Weise ausrechnen:

Detektor 2:

  • \(P(\text{Detektor 2 misst das Teilchen}) = P(\text{Weg 3}) + P(\text{Weg 4}) = 0,25 + 0,25 = 0,5 = 50 \%\)

Damit gilt: die Wahrscheinlichkeit ein klassisches Teilchen zu messen, beträgt auch bei zwei Strahlteilern für jeden Detektor 50%.

Im zweiten Gedankenexperiment stellen wir eine Quelle an den Eingang, die elektromagnetische Wellen aussendet. Als Quelle denken wir wir uns beim Eingang einen Laser, der ein stark fokussiertes Lichtbündel aussendet, bei dem alle Wellenzüge gleiche Frequenz, gleiche Phase und gleiche Amplitude haben und sich geradlinig ausbreiten (zeitlich und räumlich kohärente Wellenzüge). Wir denken uns die Intensität des ausgesandten Lichts mit 100% und geben die Intensitäten an den Detektoren relativ dazu an.

Im Modell "klassisches Teilchen" registriert jeder Detektor ein einzelnes Teilchen. Bei einer elektromagnetischen Welle überträgt die Welle kontinuierlich Energie an die Detektoren. Für die Detektoren können wir uns zwei Bauweisen denken:

  • Die Welle überträgt einem idealen Detektor kontinuierlich Energie und der Detektor misst genau die übertragene Energie.

  • In einem realen Detektor überträgt die elektromagnetische Welle den Elektronen im Detektor Energie und erst wenn eine bestimmte Mindestmenge an Energie übertragen wurde, wird eine Messung im Detektor ausgelöst. Ein Detektor hat also eine bestimmte Messempfindlichkeit. Je höher die Intensität der elektromagnetischen Welle ist, desto öfters wird ein Detektor ausgelöst, da entsprechend öfters die Messschwelle überschritten wird. Die Auslösung eines Detektors ist also ein statistischer Prozess und die Detektoren werden zu zufälligen Zeiten ausgelöst. Manchmal beobachtet man Koinzidenz, was bedeutet, dass beide Detektoren etwa zur gleichen Zeit ausgelöst werden. Je höher die Intensität der elektromagnetischen Welle ist, desto näher liegen die Auslösezeitpunkte der Detektoren beieinander, weswegen beide Detektoren ab einer bestimmten Intensität quasi ständig gleichzeitig messen.

Wenn ein zweiter Strahlteiler vor den Detektoren eingebaut wird, werden die Wellenzüge ein zweites Mal aufgeteilt. Dadurch erreichen jeweils zwei Wellenzüge einen Detektor und überlagern sich. Es kommt zur Interferenz. Für die Interferenz gilt:

  • wenn der Gangunterschied beider Wellenzüge ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist, beobachtet man am Detektor ein Maximum,

  • wenn der Gangunterschied beider Wellenzüge ein ungeradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge ist, beobachtet man am Detektor ein Minimum,

  • bei anderen Gangunterschieden beobachtet man eine mittlere Intensität an einem Detektor, wobei aufgrund des Energieerhaltungssatzes die Summe der Intensitäten der beiden Detektoren gleich der Intensität der Quelle sein muss, wenn wir annehmen, dass auf dem Weg von der Quelle zu den Detektoren keine Energie verloren geht.

Im Mach-Zehnder-Interferometer befinden sich zwei Strahlteiler, zwei Spiegel und ein Phasenschieber. Diese optischen Bauteile ändern ebenfalls den Gangunterschied zwischen den Wellenzügen. Vereinfachend nehmen wir an, dass jeder der 4 möglichen Wege durch das Mach-Zehnder-Interferometer genau gleich lang ist, so dass der Gangunterschied zwischen den Wellenzügen nur durch die optischen Bauteile verursacht wird.

  • An einem Strahlteiler wird 50% der Intensität der elektromagnetischen Welle transmittiert und 50% wird reflektiert. Die elektromagnetische Welle teilt sich also in zwei Teilwellen auf. Bei der Reflektion einer Welle an einem Hindernis kann ein Phasensprung der reflektierten Oszillation beobachtet werden. Wir denken uns hier Strahlteiler, bei welchen die reflektierte Welle einen Phasensprung von \(\tfrac{\pi}{2}\) erfährt. Ein Wellenberg wird dabei im Vergleich zum originalen Wellenzug um eine viertel Wellenlänge verschoben.

  • An einem Spiegel wird die elektromagnetische Welle zu 100% reflektiert und erfährt bei der Reflexion einen Phasensprung von \(\pi\). Ein Wellenberg wird dabei um eine halbe Wellenlänge im Vergleich zum originalen Wellenzug verschoben.

  • Zusätzlich kann in einen der beiden Wege ein Glasblock mit einer bestimmten Länge gestellt werden (Phasenschieber). In Glas ist die Lichtgeschwindigkeit kleiner als in Luft, so dass die optische Weglänge vergrößert wird. Wenn die elektromagnetische Welle am Glasblock transmittiert wird, erfährt sie eine Phasenverschiebung, die von der Länge des Glasblocks abhängt. Damit verschiebt sich ein Wellenberg im Vergleich zum originalen Wellenzug um einen Anteil der Wellenlänge, der von der Länge des Glasblocks abhängt.

Sie sollen jetzt die Modellierung wiederholen, mit welcher man die Interferenzsituation an einem Detektor vorhersagen kann. Für die Modellierung wählen wir das Modell eines rotierenden Zeigers, der einem Weg von der Quelle zum Ziel zugeordnet wird.

Um jeweils die Phase eines virtuellen Zeigers am Interferenzort zu bestimmen, kann man wie folgt vorgehen:

  • Man lässt einen Zeiger mit Lichtgeschwindigkeit von der Quelle zum Ziel fliegen. Während der Zeiger unterwegs ist, rotiert er mit der Frequenz der Oszillation eines Oszillators.
  • Sobald der Zeiger am Ziel angekommen ist, stoppt man die Rotation des Zeigers.
  • Das führt man mit beiden Zeigern durch und kennt damit Phase der beiden virtuellen Zeiger am Interferenzort.

Das können Sie in der folgenden Simulation nachvollziehen

In einem neuen Fenster starten: Interferenzanalyse

Wenn Licht modelliert werden soll, bekommt man Werte für die Frequenz eines Zeigers in der Größenordnung von \(10^{14} \, \text{Hz}\). Diese unvorstellbar schnelle Rotation kann man weder visualisieren, noch sich vorstellen. Daher vereinfachen wir die Modellierung weiter:

  • Für jeden Wellenzug denken wir uns am Eingang einen Zeiger.
  • Da wir 4 mögliche Wege durch das Mach-Zehnder-Interferometer haben, denken wir uns 4 Zeiger, die zu Beginn alle die gleiche Phase haben. Die Phasendifferenz zwischen den Zeigern ist also Null.
  • Einen Zeiger denken wir uns statisch und versuchen nur die Änderung der Phase des Zeigers relativ zu seiner Anfangsphase zu modellieren.
  • Am Interferenzort haben die virtuellen Zeiger je nach experimentellem Aufbau unterschiedliche Phasen. Wir addieren die virtuellen Zeiger vektoriell und können so den resultierenden Zeiger am Interferenzort bestimmen.
  • Die Länge des resultierenden Zeigers am Interferenzort ist ein Maß für die Amplitude der Oszillation des elektromagentischen Felds am Interferenzort.
  • Das Quadrat der Länge des resultierenden Zeigers ist ein Maß für die Intensität am Interferenzort. Wir geben im folgenden die relative Intensität zwischen 0% und 100% an.

In der folgenden Simulation können Sie eine detaillierte Interferenzanalyse des Mach-Zehnder-Interferometers mit elektromagentischen Wellen nachvollziehen. Vereinfachend gehen wir davon aus, dass die Weglängen aller 4 möglichen Wege im Mach-Zehnder-Interferometer alle genau gleich lang sind, so dass es keinen Gangunterschied aufgrund unterschiedlicher Weglängen gibt.

In einem neuen Fenster starten: Interferenzanalyse

Im dritten Gedankenexperiment stellen wir eine Photonenquelle an den Eingang, die einzelne Photonen in das Mach-Zehnder-Interferometer schickt. Ein Photon ist ein Quantenobjekt. Erinnern wir uns an die Erkenntnisse aus den Versuchen zum Photoeffekt, Comptoneffekt und dem Doppelspaltexperiment mit einzelnen Quantenobjekten:

  • ein Elektron in der Quelle emittiert ein Photon mit der Energie \(E = h \cdot f\).
  • ein Elektron in einem der beiden Detektoren absorbiert das Photon und registriert das Ereignis. Ein Photon ist nicht teilbar, weswegen man niemals eine Koinzidenz (beide Detektoren registrieren zeitgleich ein Photon) beobachtet.
  • wenn man viele Photonen hintereinander in die Anordnung schickt, beobachtet man, dass sich die Messergebnisse an den Detektoren bei gleichem Aufbau des Mach-Zehnder-Interferometers den Messergebnissen im Gedankenexperiment 2 annähern. Man kann auch bei einzelnen Photonen Interferenzphänomene beobachten. Der Unterschied ist, dass man bei einzelnen Photonen keine Koinzidenzen bei den beiden Detektoren beobachtet.

Wenn auch bei einzelnen Photonen Messergebnisse beobachtet werden, die man im Wellenmodell erfolgreich mit Interferenz, also der Überlagerung zweier Wellenzüge erklären kann, dann stellt sich die Frage, wie man sich Interferenz bei einzelnen Photonen vorstellen soll?

Ein Photon beginnt seine Existenz, wenn es von einem Elektron emittiert wurde. Die einzige Möglichkeit, dass wir ein Photon wahrnehmen können ist, wenn es wieder von einem Elektron absorbiert wurde (in unserem Auge von der Netzhaut, von einem Elektron in einem Lichtsensor, einem Leuchtpunkt auf dem Schirm,...). Wenn wir ein Photon detektieren, hat es bereits seine Existenz beendet. Es gibt für uns keine Möglichkeit ein Photon zu beobachten, ohne es zu zerstören!

Wenn man also in den Weg des Photons einen Detektor stellen würde, um zu ermitteln, welchen Weg das Photon von der Quelle zum Ziel genommen hat, dann beenden wir mit dieser Messung die Existenz des Photons. Wir können also keine Aussage darüber machen, wie sich ein Photon in der Zeit zwischen seiner Emission und seiner Absorption verhält, da es keine Möglichkeit gibt, dieses Verhalten zu beobachten. Man kann versuchen Hypothesen aufzustellen, was in der Zeit zwischen Emission und Absorption geschieht, aber es werden immer nur Hypothesen bleiben, weil man keine Möglichkeit hat, das Photon zerstörungsfrei zu messen.

Im Jahr 1926 hat Max Born einen Vorschlag gemacht, wie man die Interferenzphänomene bei Experimenten mit einzelnen Photonen modellieren kann:

  • die elektromagnetische Welle wird ersetzt mit einer Wahrscheinlichkeitswelle. Die Wahrscheinlichkeitswelle existiert nicht real, sondern ist ein mathematisches Objekt, das nur im Gehirn existiert und Zahlen erzeugt, mit denen man vorhersagen kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit einer der beiden Detektoren ein Photon registriert.

  • jedem möglichen Weg des Photons von der Quelle zum Detektor wird eine solche Wahrscheinlichkeitswelle zugeordnet.

  • am Detektor interferieren die Wahrscheinlichkeitswellen. Um hervorzuheben, dass die Wahrscheinlichkeitswellen nichts real schwingendes beschreiben, sondern einen Zustand des quantenphysikalischen Systems mathematisch beschreiben, verwendet man statt Interferenz das Wort Superposition und sagt, dass sich die Wahrscheinlichkeitswellen in Superposition befinden.

Damit können wir für die Vorhersage, welcher Detektor ein Photon registriert, einen ähnlichen Ansatz wie im Gedankenexperiment 2 verwenden:

  • Jedem Weg wird ein Zeiger zugeordnet. Der Zeiger rotiert mit der Frequenz, die dem Photon wegen \(E = h \cdot f\) zugeordnet wird. Da diese Frequenz extrem hoch ist, stellen wir uns den Zeiger statisch vor und betrachten nur die Änderung seiner Phase relativ zur Anfangsphase beim Eingang.
  • Die Länge des Zeigers nennen wir Wahrscheinlichkeitsamplitude. Diese Größe hat keine reale Bedeutung.
  • Wir nehmen an, dass sich alle Wahrscheinlichkeitszeiger beim Eingang des Mach-Zehnder-Interferometers in gleicher Phase befinden.
  • Die Phase der Zeiger relativ zur Anfangsphase ändert sich bei den Strahlteilern, Spiegeln und beim Phasenschieber genauso wie beim Modell "elektromagnetische Welle".
  • An einem der Detektoren werten wir die Superposition der beiden Zeiger aus, indem wir diese vektoriell addieren (Parallelogrammregel). Die Länge des resultierenden Zeigers ist die resultierende Wahrscheinlichkeitsamplitude am Detektor, die immer noch keine reale Bedeutung hat.
  • Die resultierende Wahrscheinlichkeitsamplitude wird quadriert. Das Ergebnis dieser Rechnung ist die Wahrscheinlichkeit, das Photon bei diesem Detektor zu messen. Wenn man sehr viele einzelne Photonen in das Mach-Zehnder-Interferometer schickt, beobachtet man, dass die Ereignisse an den Detektoren sich der vorhergesagten Wahrscheinlichkeit annähern werden.

Diese Modellierung können Sie in der folgenden Simulation nachvollziehen:

In einem neuen Fenster starten: Einzelne Photonen im Mach-Zehnder Interferometer

Die Erkenntnisse der letzten drei Gedankenexperimente können Sie jetzt anhand einer Simulation der University of St. Andrews erproben.

In einem neuen Fenster starten: Mach-Zehnder-Interferometer