3.13 Bragg-Interferometer


Bezug zum Kerncurriculum:
Ich kann je ein Experiment zur Bestimmung der Wellenlänge von Röntgenstrahlung mit Bragg-Reflexion beschreiben. Ich kann ein Verfahren zur Strukturuntersuchung als technische Anwendung der Bragg-Reflexion erläutern.


Das Bragg-Interferometer basiert auf der sogenannten Bragg-Reflexion von Wellen. Dabei treffen elektromagnetische Wellen auf eine regelmäßige Anordnung von Hindernissen. Die Hindernisse sind dabei dreidimensional in Reihen nebeneinander, übereinander und hintereinander angeordnet (z.B. regelmäßig angeordnete Metallstäbe, ein Kristall bestehend aus einer regelmäßigen Anordnung von Kristallatomen,...).

Wenn ein elektromagnetischer Wellenzug das Hindernis erreicht, regt das elektromagnetische Wechselfeld der Welle die Elektronen im Hindernis zu Schwingungen an. Die beschleunigten Elektronen senden sofort wieder elektromagnetische Wellen in alle Raumrichtungen aus. Die in alle Raumrichtungen ausgesandten Wellen interferieren. Die ankommenden elektromagnetischen Wellenzüge werden vom Hindernis nach dem Reflexionsgesetz reflektiert, d.h. der Reflexionswinkel ist gleich dem Einfallswinkel (siehe Huygensches Prinzip).

Wenn man ein Hindernis wählt, bei welchem die Reflexionsorte (z.B. Metallstäbe oder Atome) regelmäßig angeordnet sind, dann werden Wellenzüge, die parallel auf das Hindernis treffen, so reflektiert, dass sie nach dem Hindernis wieder parallel zueinander orientiert sind. Unter bestimmten Winkeln kann man dann bei den reflektierten Wellenzügen Maxima und Minima beobachten.

Dieses Phänomen können zu in der folgenden Simulation nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Bragg-Interferenz

Bei der Bragg-Interferenz muss die Wellenlänge der elektromagnetischen Wellen zum Gitterabstand des Hindernisses passen, damit auswertbare Interferenzbilder entstehen:

  • wenn die Wellenlänge deutlich kleiner als der Gittabstand ist, liegen die Maxima so nah beieinander, dass sie mit Messgeräten nicht mehr unterschieden werden können,
  • wenn die Wellenlänge deutlich größer als der Gitterabstand ist, kann man nur das 0. Maximum beobachten.

Wir nehmen vereinfachend an, dass die interferierenden Wellenzüge parallel zueinander verlaufen. Dadurch vereinfacht sich die Geometrie, mit deren Hilfe man die Interferenzsituation modellieren kann. Der Gangunterschied \(\Delta s\) der beiden elektromagnetischen Wellenzüge kann mit Hilfe der Trigonometrie im rechtwinkeligen Dreieck in Zusammenhang mit dem Gitterabstand \(d\) und dem Glanzwinkel \(\alpha\) gebracht werden.

Dazu werden an die betrachteten Reflektionsorte zwei rechtwinkelige Dreiecke gezeichnet.

Wie man der Skizze entnehmen kann, folgt aus dem Nebenwinkelsatz, dass der Glanzwinkel \(\alpha\) auch im rechtwinkeligen Dreieck vorkommt.

Das Dreieck, das aus der Hypothenuse \(d\) und dem halben Gangunterschied \(\frac{\Delta s}{2}\) gebildet wird, ist ein rechtwinkeliges Dreieck. Es gilt:

\[ sin(\alpha) = \frac{\text{Gegenkathete}}{\text{Hypothenuse}} = \frac{\frac{\Delta s}{2}}{d} = \frac{\Delta s}{2 \cdot d}\]

Für den Gangunterschied \(\Delta s\) der beiden Wellenzüge gilt also:

\[ \Delta s = 2 \cdot d \cdot sin(\alpha)\]

Wenn die beiden Wellenzüge kohärent sind und der Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge \(\lambda\) ist, dann beobachtet man am Interferenzort ein Maximum (konstruktive Interferenz). Es gilt dann:

\[ \Delta s = n \cdot \lambda \:\:\: \text{mit} \:\:\: n = 0, 1, 2,...\]

Wenn die beiden Wellenzüge kohärent sind und der Gangunterschied ein ungeradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge \(\lambda\) ist, dann beobachtet man am Interferenzort ein Minimum (destruktive Interferenz). Es gilt dann:

\[ \Delta s = (2 n + 1) \cdot \frac{\lambda}{2} \:\:\: \text{mit} \:\:\: n = 0, 1, 2,...\]

Bei der Bragg-Reflexion einer elektromagnetischen Welle der Wellenlänge \(\lambda\) an einem dreidimensionalen Hindernis mit dem Gitterabstand \(d\) beobachtet man ein Maximum, wenn für den Gangunterschied \(\Delta s\) gilt:

\[ \Delta s = n \cdot \lambda = 2 \cdot d \cdot sin(\alpha)\]

Für die Winkel, unter welchen ein Maximum beobachtet werden kann, gilt:

\[ \alpha = arcsin \left( \frac{n \cdot \lambda}{2 \cdot d} \right)\]

Wie Sie aus dem Mathematikunterricht wissen, ist der Arcussinus nur für Argumente zwischen -1 und 1 definiert, da der Sinus eines Winkels nur Werte zwischen -1 und 1 liefert. Aus der hergleiteten Formel \(\alpha = arcsin \left( \frac{n \cdot \lambda}{2 \cdot d} \right)\) folgt, dass nur dann unter einem Winkel \(\alpha\) Interferenz beobachtet werden kann, wenn der Quotient \(\frac{n \cdot \lambda}{2 \cdot d}\) einen Wert zwischen -1 und 1 annimmt.

Da die Parameter \(n\), \(\lambda\), und \(d\) im physikalischen Zusammenhang immer positiv sind, kann der Quotient \(\frac{n \cdot \lambda}{2 \cdot d}\) nur positive Werte annehmen. Wir können in unserer Betrachtung die negativen Werte also weglassen. Damit der \(arcsin \left( \frac{n \cdot \lambda}{2 \cdot d} \right)\) definiert ist, muss also gelten, dass:

\[ 0 \leq \frac{n \cdot \lambda}{2 \cdot d} \leq 1\]

Löst man diese Ungleichung nach \(\lambda\) auf, folgt:

\[ 0 \leq \lambda \leq \frac{2 \cdot d}{n}\]

Man kann nur dann ein 1. Maximum mit \(n = 1\) beobachten, wenn die Wellenlänge \(\lambda\) kleiner als \(2 \cdot d\) ist. Für Maxima höherer Ordnung muss die Wellenlänge noch kleiner werden, da der Nenner mit größerem \(n\) größer und damit der Bruch kleiner wird.

Mikrowellen haben eine Wellenlänge im Zentimeterbereich. Man könnte also ein Hindernis entwerfen, dessen Metallstangen wenige Zentimeter entfernt voneinander stehen, um ein 1. Maximum beobachten zu können.

Röntgenstrahlen haben eine Wellenlänge im Pikometerbereich (\(10^{-12}\)). Diese Wellenlänge ist so kurz, dass man ein 1. Maximum klar messen kann, wenn das Hindernis Reflexionsorte in extrem kurzem Abstand hat. Das ist z.B. bei Kristallen der Fall, wenn man die Atome als Hindernis verwendet. Die Atome können die elektromagnetischen Wellen wie kleine Antennen aufnehmen, beginnen dann zu schwingen und senden wieder wie ein kleiner Sender elektromagnetische Wellen aus.

Mit Hilfe der Bragg-Reflektion kann man:

  • die Wellenlänge \(\lambda\) unbekannter Röntgenstrahlung ermitteln, wenn man den Gitterabstand \(d\) in einem Kristall kennt:

\[ \lambda = 2 \cdot d \cdot sin(\alpha)\]

  • den Gitterabstand \(d\) eines unbekannten Kristalls ermitteln, wenn man die Wellenlänge \(\lambda\) der verwendeten Röntgenstrahlung kennt:

\[ d = \frac{\lambda}{2 \cdot sin(\alpha)}\]

und jeweils das 1. Maximum der reflektierten Wellenzüge misst.

Bisher haben wir bei der Betrachtung der Bragg-Reflexion zwei Wellenzüge betrachtet, die miteinander interferieren. Die resultierenden Interferenzbilder ähneln denen eines Doppelspalts, bei dem relativ breite Maxima entstehen:

Zum Vergleich folgt das Interferenzbild eines Doppelspalt mit Licht:

Bei der Bragg-Reflexion an einem Einkristall (ein idealer Kristall mit einer perfekten Anordnung der Atome) werden sehr viele Wellenzüge reflektiert und interferieren miteinander. Das Interferenzbild verändert sich dann so, wie Sie es im Kapitel "Vom Doppelspalt zum Gitter" gelernt haben.

Interferenzbild von sichtbarem Licht bei einem Gitter mit 100 Spaltöffnungen:

Die Maxima sind scharf und zwischen den Maxima misst man praktisch keine Intensität, da die Wellenzüge destruktiv interferieren.

Anwendung: Erzeugung monochromatischer Röntgenstrahlung

Wenn man polychromatisches Röntgenlicht (Röntgenlicht mit sehr vielen unterschiedlichen Frequenzen) an einem Kristall reflektiert, dann sind die beobachteten Maxima scharf. Die Folge ist, dass für hinreichend kleine Glanzwinkel nur das Maximum genau einer Wellenlänge beobachtet wird. Wenn man das Licht dann geeignet weiterleitet, hat man Röntgenlicht mit nur genau einer Wellenlänge zur Verfügung. Damit hat man monochromatisches Röntgenlicht erzeugt.

Bei größeren Winkeln kann es sein, dass Maxima höherer Ordnung beobachtet werden können, die dann die Maxima anderer Wellenlängen überlagern. Daher sollte der Glanzwinkel nicht zu groß gewählt werden.

Eine weitere Anwendung der Bragg-Reflexion ist die Analyse eines Röntgenspektrums. Schickt man Röntgenlicht auf einen Drehkristall, kann man die Intensität der einzelnen Wellenlängen messen, da bei jedem Glanzwinkel das Maximum von nur einer einzigen Wellenlänge liegt. Auch hier gilt, dass die Winkel klein genug bleiben sollten.

In der Röntgenröhre werden Elektronen mit Hilfe einer Beschleunigungsspannung auf hohe kinetische Energien beschleunigt. Sie prallen innerhalb der Röhre auf eine Metallanode und werden dort abgebremst. Abgebremste Elektronen senden die Energie, die sie bei der Bremsung verlieren, in Form von elektromagnetischen Wellen aus. Die meisten elektromagnetischen Wellen haben eine Wellenlänge im Bereich der Wärmestrahlung, so dass die Anode sehr warm wird. Manche Elektronen werden aber so stark abgebremst, dass Wellen mit extrem kurzer Wellenlänge ausgesendet werden, die die Metallanode verlassen können. Röntgenlicht wird in alle Raumrichtungen ausgesendet.

Mit Hilfe eines Kollimators werden in eine bestimmte Richtung nur parallele Wellenzüge der Röntgenstrahlung durchgelassen, die anderen Wellenzüge werden aufgenommen (absorbiert).

Die parallelen Wellenzüge treffen auf einen Kristall (z.B. NaCl = Natrium-Chlorid, LiF = Lithium-Fluorid) und werden dort reflektiert. Auf der anderen Seite des Kristalls beobachtet man mit Hilfe eine Detektors unter dem gleichem Winkel, in dem die Wellenzüge auf den Kristall getroffen sind (Glanzwinkel), ein Maximum. Die Bragg-Gleichung liefert die Wellenlänge der Röntgenstrahlung, welche das beobachtete Maximum erzeugt:

\[ \lambda = 2 \cdot d \cdot sin(\alpha)\]

Mit Hilfe eines geeigneten Detektors (z.B. ein Geiger-Müller-Zählrohr), kann man die Intensität der Röntgenstrahlung bestimmen, die das Maximum erzeugt.

In der folgenden Simulation können Sie den Aufbau und die Durchführung eines Drehkristallexperiments zur Messung des Spektrums einer Röntgenröhre nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Drehkristall-Versuch