3.9 Stehende Wellen


Bezug zum Kerncurriculum:
Ich kann Interferenzphänomene für folgende „Zwei-Wege-Situationen“ beschreiben und deuten: stehende Welle.
Ich kann die Zeigerdarstellung oder eine andere geeignete Darstellung zur Beschreibung und Deutung verwenden.


Wir betrachten eine Situation, bei welcher sich zwei Wellenzüge eindimensional aufeinander zu bewegen und sich auf einer bestimmten Strecke überlagern. Beispiele dazu sind:

Wenn beide Wellenzüge die gleiche Frequenz, gleiche Phasengeschwindigkeit und gleiche Amplitude haben, bildet sich bei der Überlagerung eine regelmäßige stehende Welle:

  • an manchen Orten verstärken sich die beiden Wellenzüge immer: es entstehen Maxima, die mit doppelter Amplitude schwingen.

  • an manchen Stellen löschen sich die beiden Wellenzüge immer aus: es entstehen Minima ohne beobachtbare Schwingung.

Am Ort eines Maximums gibt es zu einem Wellenberg der Welle 1 immer ein Wellenberg der Welle 2 und wenn ein Wellental von Welle 1 am Ort des Maximums ist, gibt es an der gleichen Stelle immer einen Wellental von Welle 2. Der Abstand zwischen zwei Maxima bzw. zwei Minima beträgt eine halbe Wellenlänge, also \(\lambda/2\).

Beobachtet man eine stehende Welle und misst den Abstand zwischen dem Maximum an der Position \(x_1\) und dem Maximum an der Stelle \(x_0\), kann aus diesem Abstand die Wellenlänge berechnet werden:

\[ \lambda = 2 \cdot (x_1 - x_0)\]

In der folgenden Simulation können Sie die Entstehung einer stehende Welle zweier kohärenter Wellenzüge beobachten.

In einem neuen Fenster starten: Stehende Welle (kohärente Wellenzüge)

Wenn sich zwei Wellenzüge mit unterschiedlichen Frequenzen überlagern, dann haben sie keine feste Phasenbeziehung zueinander. Die Positionen der Maxima und Minima der entstehenden Welle ändert sich ständig, ebenso wie die Amplitude der Schwingung an einem Ort. Eine solche Welle nennt man eine Schwebung.

Wenn die beiden aufeinander zu laufenden Wellenzüge zwar gleiche Frequenzen, aber verschiedene Amplituden haben, ist die resultierende Welle auch keine stehende Welle. In der folgenden Simulation können Sie die Entstehung einer Schwebung beobachten. Aus einer komplizierten Überlagerung von Wellen könnten auch die Wellenlängen der sich überlagernden Wellen ermittelt werden, das Verfahren dazu ist jedoch kompliziert (Fourier-Analyse).

In einem neuen Fenster starten: Schwebung (nicht kohärente Wellenzüge)

Das Kundtsche Interferenzohr ist ein Glasrohr, in das eine geringe Menge eines sehr leichten Materials (Korkmehl, Styroporkügelchen,...) eingefüllt wird. Das Material wird auf die gesamte Länge des Rohrs verteilt und sammelt sich aufgrund der Schwerkraft unten im Glasrohr.

Auf der einen Seite des Glasrohrs wird ein Lautsprecher angebracht, der einen Sinus-Ton mit nur einer einzigen Tonhöhe (Frequenz \(f\)) aussendet. Eine solche Schallwelle ist eine longitudinale Welle, bei welcher die Luftmoleküle in Ausbreitungsrichtung um ihre Ruhelage schwingen. Auf der anderen Seite des Glasrohrs befindet sich ein bewegliches Hindernis (Stempel), an welchem die Schallwelle reflektiert wird.

Am Stempel können sich die Moleküle im Festkörper kaum bewegen, weswegen die Luftmoleküle nur sehr wenig Energie an die Festkörpermoleküle übertragen können. Die Schwingung wird mit einem Phasensprung von \(\pi\) reflektiert. Die virtuellen Oszillatoren schwingen am Stempel in entgegengesetzter Phase, so dass ein Schwingungknoten entsteht und der reale Oszillator nicht schwingt. Die reflektierte Welle bewegt sich durch das Glasrohr zurück zum Lautsprecher.

Wenn der Lautsprecher eingeschaltet ist, schwingen die Luftmoleküle um ihre Ruhelage. Nur die Schallwelle, also die Schwingungsenergie bewegt sich durch das Glasrohr vom Lautsprecher zum Stempel und zurück. Die vom Lautsprecher ausgesandte Welle und die am Stempel reflektierte Welle überlagern sich im Glasrohr. Um diese Überlagerung zu modellieren, denken wir uns an jedem Punkt im Glasrohr zwei virtuelle Oszillatoren. Der eine virtuelle Oszillator gehört zur Welle, die vom Lautsprecher ausgesendet wird und der andere virtuelle Oszillator gehört zur Welle, die am Stempel reflektiert wird. Die Interferenz zweier longitudinaler Wellen kann man nur schwer darstellen. Deswegen denken wir uns die Schallwelle als Transversalwelle und lassen die virtuellen Oszillatoren quer zur Ausbreitungsrichtung schwingen. Nachdem die Interferenz fertig modelliert ist, können wir die Schwingung des realen Oszillators wieder longitudinal in Ausbreitungsrichtung denken.

Wenn die Lautsprecherwelle und die reflektierte Welle eine Länge haben, so dass am offenen Ende beim Lautsprecher ein Minimum (Schwingungsknoten) entsteht, kann nur sehr wenig Energie in das Rohr transportiert werden. Die Schwingungsamplitude im Rohr ist gering.

Einen Schwingungsknoten (Minimum) beim Lautsprecher beobachtet man immer dann, wenn die Entfernung zwischen dem offenen Ende und dem Stempel ein geradzahliges Vielfaches der Viertel-Wellenlänge ist.

Wenn die Lautsprecherwelle und die reflektierte Welle eine Länge haben, so dass am offenen Ende beim Lautsprecher ein Maximum (Schwingungsbauch) entsteht, kann sehr viel Energie in das Rohr transportiert werden und die Schwingungsamplitude im Rohr ist maximal. Die Lautsprecherwelle und die reflektierte Welle schwingen in Resonanz.

Einen Schwingungsbauch (Maximum) beim Lautsprecher beobachtet man immer dann, wenn die Entfernung zwischen dem offenen Ende und dem Stempel ein ungeradzahliges Vielfaches der Viertel-Wellenlänge ist.

Bestimmung der Wellenlänge mit dem Kundtschen Rohr:

  • Man stellt den Stempel so ein, dass die stehende Welle in Resonanz schwingt.

  • Die Bestandteile des leichten Materials (z.B. Korkmehl) werden von den stark schwingenden Luftmolekülen bewegt. Das Korkmehl sammelt sich vor allem an den Stellen, wo die stehende Welle nicht schwingt (Minima). Man misst die Entfernung zweier Anhäufungen des Korkmehls, um die Entfernung \(d\) zweier Minima zu bestimmen. Um die Genauigkeit der Messung zu verbessern, misst man die Entfernung \(x\) von \(n\) Minima und teilt diese Entfernung durch \(n\): \(d = \frac{x}{n}\) bei n Minima.

  • Die Entfernung von einem Minimum zum nächsten Minimum entspricht bei einer stehenden Welle einer halben Wellenlänge. Wenn \(d\) die Entfernung zweier Minima ist, dann gilt für die Wellenlänge \(\lambda = 2 \cdot d\).

Nachdem man die Wellenlänge \(\lambda\) bestimmt hat, kann man die Schallgeschwindigkeit \(c\) berechnen. Dazu muss die Frequenz \(f\) des Lautsprechers bekannt sein:

\[ c = \lambda \cdot f\]

Die Entstehung einer stehenden Welle in einem Kundtschen Rohr, die in Resonanz schwingt, so dass Ansammlungen des leichten Materials entstehen, können Sie in folgender Simulation nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Kundtsches Interferenzrohr

Das Quinckesche Interferenzrohr ist eine Apparatur, bei welcher ein Lautsprecher einen Sinus-Ton mit einer einzigen Tonhöhe (Frequenz \(f\)) aussendet, die in ein Rohr eintritt und an einer Rohrkreuzung auf zwei Teilwellen aufgeteilt wird. Eine solche Schallwelle ist eine longitudinale Welle, bei welcher die Luftmoleküle in Ausbreitungsrichtung um ihre Ruhelage schwingen. Die Interferenz zweier longitudinaler Wellen kann man nur schwer darstellen. Deswegen modellieren wir die Schallwelle als Transversalwelle und denken uns die modellierten Schwingungen der einzelnen Oszillatoren in Ausbreitungsrichtung.

Die beiden Rohre treffen sich auf der anderen Seite der Apparatur wieder, so dass die beiden Teilwellen interferieren. Am Interferenzort ist eine Öffnung, an welcher ein Mikrofon die Überlagerung der beiden Teilwellen aufzeichnen kann.

Mit dem Quinckeschen Rohr kann die Wellenlänge der Schallwelle bestimmt werden:

  • Man stellt den Auszug des Quinckeschen Rohrs so ein, dass mit dem Mikrofon ein Minimum registriert wird (keine Lautstärke) und notiert den Auszug (z.B. \(x_0 = 10 \, \text{mm}\)).

  • Man verändert den Auszug langsam weiter, bis das nächste Minimum am Mikrofon registriert wird. Der zweite Auszug wird notiert (z.B. \(x_1 = 50 \, \text{mm}\)).

  • Man berechnet dann die Differenz der beiden Werte (z.B. \(d = x_1 - x_0 = 50 - 10 = 40 \, \text{mm}\)). Wenn der Auszug um \(d = 40 \, \text{mm}\) verändert wurde, dann hat sich die Weglänge des rechten Wellenzugs um \(2 \cdot d = 80 \, \text{mm}\) geändert, da die Schallwelle den Auszug zweimal durchläuft.

  • Bei der Messung des ersten Minimums überlagerten sich der linke und der rechte Wellenzug so, dass sich immer ein Wellenberg und ein Wellental am Mikrofonort trafen. Im Zeigermodell rotieren die virtuellen Zeiger am Interferenzort in entgegengesetzter Phase (\(180° = \pi\)).

  • Wenn man das Rohr vom Minimum weiter zum nächsten Minimum auszieht, dann ist der rechte Wellenzug um eine Wegdifferenz \(\Delta s = 2 \cdot d\) länger als der linke Wellenzug geworden. Uns interessiert nicht, wie lang die Weglängen der beiden Wellenzüge tatsächlich sind, sondern uns interessiert nur, wie sich die Länge der Wellenzüge relativ zueinander geändert hat, wenn man das Rohr von einem Minimum zum nächsten auszieht.

  • Die Änderung der Differenz der Weglängen der beiden Wellenzüge nennen wir Gangunterschied \(\Delta s\) der beiden Wellenzüge. Der Gangunterschied ist dabei nicht die Differenz der Längen der Wellenzüge (die Längen der Wellenzüge kennen wir ja nicht), sondern der Gangunterschied ist die Änderung der Weglängen, wenn das Rohr von Minimum zu Minimum ausgezogen wird.

  • Wenn man den Auszug vergrößert, dann bleibt die Länge des linken Wellenzugs unverändert. Damit beim Mikrofon wieder ein Minimum registriert wird, muss der rechte Wellenzug so verlängert werden, dass wieder immer ein Wellenberg auf ein Wellental trifft, bzw. die virtuellen Zeiger entgegengesetzt zueinander rotieren.

Dafür muss der Auszug so verändert werden, dass der rechte Wellenzug eine ganze Wellenlänge länger geworden ist. Wäre der Gangunterschied nur eine halbe Wellenlänge lang gewesen, dann würde am Mikrofonort immer ein Wellenberg auf einen Wellenberg bzw. Wellental auf ein Wellental treffen (im Zeigermodell würden die Zeiger ohne Phasendifferenz rotieren) und man würde am Mikrofon ein Maximum registrieren.

Damit gilt für das Quinckesche Rohr: Wenn man am Mikrofon ein Minimum registriert und den Auszug so verändert, dass man wieder ein Minimum registriert, dann entspricht die Änderung des Auszugs \(d\) einem halben Gangunterschied \(\Delta s\) und damit einer halben Wellenlänge \(\lambda\):

\[ \lambda = \Delta s = 2 \cdot d = 2 \cdot 40 \, \text{mm} = 80 \, \text{mm}\]

Natürlich könnte man das Experiment auch so durchführen, dass man am Mikrofon ein Maximum registriert und den Auszug so verändert, dass man wieder ein Maximum registriert. Nachdem man die Wellenlänge \(\lambda\) bestimmt hat, kann man die Schallgeschwindigkeit \(c\) berechnen. Dazu muss die Frequenz \(f\) des Lautsprechers bekannt sein:

\[ c = \lambda \cdot f\]

Die Interferenz zweier Schallwellen in einem Quinckeschen Rohr können Sie in der folgenden Simulation nachvollziehen.

In einem neuen Fenster starten: Quinckesches Interferenzrohr